Von der Kunst sich durchzumogeln… oder: Das Leben trifft dich auch gerade dann, wenn du ihm ausweichen willst…


Es gibt noch Filme die zu Herzen gehen und nicht einfach durch sie hindurch. So Filme, die leise anklopfen, zaghaft, statt einfach mit den üblichen Begrüßungsworten einzutreten; Filme wie Garden State oder My Summer of Love, Filme, die die Magie des Lebens selbst einzufangen versuchen.

Heute wird immer behauptet (oder: angenommen), ein bewegender/anspruchsvoller Film müsse Abgründe zeigen, einen in Abgründe führen. Doch viele Filme versinken in diesen Abgründen und viele wenden sich nach einem allzu vorsichtigen Blick oder Straucheln wieder davon ab.

Die Kunst einen Film aber authentisch zu machen (gerade einen über Jugendliche, erste Liebe und Erwachsenwerden) liegt, denke ich, vor allem darin, den Balanceakt zu wagen zwischen Hoffnung und Verlangen, zwischen Verzweiflung und Resignation, den diese Zeit ausmacht – und ein Gefühl dominieren zu lassen, das wir Sehnsucht nennen. Ein Wort, das tief in unserem Innern nach der Jugend seine Bedeutung verlieren kann, vielleicht aus Furcht, der Begriff dieses Gefühls könnte ab dann nicht mehr mit den “verklärenden” Emotionen übereinstimmen und überhaupt sie im Erwachsensein Sehnsucht kein Element mehr, allerhöchstens ein Hindernis.

Von der Kunst, sich durchzumogeln ist ein Film über die erste Liebe, aber es ist auch ein Film über die Schwierigkeit, sich als Erwachsener zu fühlen. Zum Jungsein, sagt man oft, gehört töricht sein, gehört die Sorglosigkeit. Doch was ist diese Sorglosigkeit: Ablenkung oder Lebenssinn/-aspekt? Ist das Glas der Jugend halbvoll oder halbleer.

George, – grandios gespielt von Freddie Highmore – Schüler im letzten Highschooljahr, trauert seiner verlorenen Kindheit hinterher und gleichzeitig sieht er keine Perspektiven für eine Zukunft. Sein Leben scheint ihm eine Einbahnstraße zu sein, über die schon tausende Generationen von Menschen gefahren sind, die die Bahn befahrbar gemacht und doch zugleich abgenutzt haben; das Leben, eine Strecke, so schnell und leicht zu bereisen und doch so trostlos. (Zitat, mit dem der Film beginnt.” Seit Beginn der Geschichtsschreibung erblickten rund 110 Mrd Menschen das Licht dieser Welt. Und nicht ein einziger hat überlebt.)

Die Tiefe, die fehlt, kann man natürlich nicht mit Hausaufgaben füllen und deswegen sollte man sie auch nicht machen. Lieber kritzelt George unentwegt in seine Zeichenbücher seine kleinen Grotesken; seines Talents ist er sich durchaus bewusst, aber er ist der festen Meinung, dass seine Zeit und vor allem er selbst nichts mehr zu sagen haben.

Dann tritt Sally in sein Leben, ein recht unbeschwertes und unverplantes Mädchen, das nicht auf den Kopf gefallen ist, aber doch sehr lebensfroh. Schnell entwickelt sich zwischen ihnen eine Art von Freundschaft, sie sitzen am gleichen Tisch in der Schulcaféteria, sie führt ihn bei Freunden und Partys ein. Die gegenseitige, unschuldige Sympathie spitzt sich bald auf die Frage zu, die Sally eines Tages plötzlich am Restauranttisch stellt: “Hast du schon mal dran gedacht, mit mir? Willst du mit mir schlafen?”

Dieser Film hat mich auf einer gleichsam traurigen und bereichernden Ebene berührt und ich glaube, dass seine mit vielen authentischen Szenen und Darstellungen gestaltete Idee das Potenzial hat jeden Menschen in seinen Bann zu ziehen. Die größte Kunst, die ein Film meistern kann, ist ein Loch in die Pappschachtel des Lebens zu schneiden und uns hineinsehen zu lassen: in vergangene Epochen, ins Innenleben von Menschen, in bestimmten Situationen und in einzelne Episoden des Lebens an sich, wie bei diesem Film der Fall – vielerlei kann einem dieser Einblick näher bringen, in diesem Fall auch die Einsicht, dass wir alle etwas zu sagen haben, spätestens, wenn wir das erste Mal verliebt sind. Und das Filme immer noch die Möglichkeit haben, unser Wissen über unsere eigenen Gefühle, auch nachträglich, zu erweitern.

Wie ein anderer Rezensent ganz richtig sagte: Ein Geniestreich, ein leiser, starker. Und ein anderer sagte: Es gibt sie noch, die guten Indipendent-Filme! Ja – und das hier ist einer davon, auf eine klare, unverblümte Weise, ohne dabei aus reiner Provokation über die Maßen anzuecken.

Link zum Film: http://www.amazon.de/Kunst-sich-durchzumogeln-Freddie-Highmore/dp/B0066IJAMO/ref=cm_rdp_product

*Diese Rezension ist bereits teilweise auf Amazon.de erschienen.

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