“Ein Traum in Rot” – Lernet-Holenias Kammerspielroman über das Böse, die Prophezeiung und und das Schicksal


“Es scheint überhaupt, als ob einem etwas Übles nur geweissagt würde, damit man es selbst, in dem Bestreben, es zu vermeiden, durch ebendieses Bestreben nur umso sicherer herbeiführe.”

Seit der Geschichte des Ödipus waren hunderte von Helden dazu verdammt, die Tragödie ihres Lebens selbst herbeizuführen, in dem Bestreben, sie zu verhindern. Das Motiv des Schicksals als das, auf das wir gerade dann zusteuern, wenn wir den Weg von ihm weg einschlagen, ist eines der populärsten der Literatur- und sonstigen Mediengeschichte. Gerade in Filmen ist es eine überaus beliebte Wendung, von Star Wars über Flash Forward bis hin zu Minority Report. Sehr eng verbunden ist und war es immer mit Prophezeiungen und Visionen.

Um Prophezeiung und Schicksal geht es auch in Lernet-Holenias Roman “Traum in Rot”, allerdings mit einigen Ausprägungen, die das Böse und die Macht unserer eigenen Angst mit einfließen lassen. Angesiedelt ist der Roman einige Jahre nach einem der großen umstürzenden Ereignisse des zwanzigsten Jahrhunderts: der Oktoberrevolution in Russland und dem darauf folgenden Bürgerkrieg. Für viele Russen war dies die Auftaktkatastrophe zu in einer schrecklichen Epoche, die Genozide, Massenmorde und ein völlig von unübersichtlichen Kleinkriegen durchzogenes Land hinterließ, bevor die Sowjetunion daraus hervorging.

Einige vor dem Krieg geflohene Exilrussen, hauptsächlich Adelige, die jetzt als Bedienstete arbeiten müssen, leben auf einem Gut in Polen; noch immer hoffen sie, dass sie bald in ein monarchistisches, befriedetes Russland zurückkehren können. Gleichzeitig fürchten sie, dass die revolutionären Ideen sich noch weiter ausbreiten, über die Grenzen Russlands hinaus bis nach Polen und sie doch noch den Tod finden könnten.
Der Mann, dem das Gut gehört hat derweil andere Sorgen. Die hängen mit einer Prophezeiung zusammen, die einst ein hoffnungsloser Narr und Taugenichts über sein Schicksal und das Schicksal aller Anwesenden gemacht hat. Bisher hat dieser Kerl mit allem, was er voraussagte, Recht behalten. Und der Mann, der das angekündigte Unglück in sein Haus tragen soll, ist scheinbar auch nicht mehr weit entfernt, wenn man den mysteriösen Briefen seiner Verwandten glauben soll. Aber kann er überhaupt verhindern, dass das, was eintreten wird, eintritt…? Hilft das Reden, hilft das Handeln… Wenn doch alles nicht bis dahin so passiert wäre, wie es passierte…

“Was in der Welt zwangsläufig und selbstverständlicherweise, was gar nicht anders geschehen kann, vollzieht sich durch Zufälle und Missverständnisse. Denn das Notwendige und Selbstverständliche wäre aus sich selbst gar nicht imstande, andrer Notwendigkeiten und Selbstverständlichkeiten, die ihm entgegenstehen, Herr zu werden.”

Sehr gut in Szene gesetzt und meisterlich in seiner Rahmengeschichte, meidet Lernet-Holenias Roman bei all seinen Abschweifungen und philosophischen Gedanken eine allzu schwere Dichte und das Abgleiten vom Roman hinein in die Form des Essays oder die meditative Gedankenprosa; formal ist der Roman ein Meisterstück. Allerdings kann ein Roman um solch ein Thema natürlich nichts anderes sein, als ein Spiel mit wenigen Motiven: hier mit Schicksal, Unglück und Phantastik, die der Autor auf verschiedene Ebenen und Teile der Handlung verteilt, aber damit auch nicht verhindern kann, dass der Roman letztendlich eher auf kleinem Raum bleibt.

Trotzdem: Dieser kleine Raum weiß zu gefallen – vor allem weil Lernet-Holenia es nicht bei den einfachen Begrifflichkeiten belässt, sondern, gerade wenn es um das Böse und das Schicksal geht, ein paar sehr gute Ideen und Zusätze mit ins Spiel bringt. Wie dies geschieht, sei nicht verraten – nur ein Tipp: Die Farbe Rot hat in diesem Roman eine sehr vielfältige Bedeutung. Und eine kleine Apologie des Teufels wird auch stattfinden…

Link zum Buch

*diese Rezension ist in Teilen bereits auf Amazon.de erschienen

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