Kurz zu Swen Friedels Gedichten in “Draußen ist die Sonne”


“Rauch wühlt sich in das Tageslicht,
durch Baumgeäst, Fassaden hinauf,
warf wabbernde Schatten in Fenster
auf Teppiche, Buchseiten, Betten, Teller,
verdunkelte mit stechendem Geruch
den Nachmittag dieser Nebenstraße,
ließ in Stille Unglück ahnen.”

Am Beginn von Swen Friedels Gedichten steht oft ein Moment, in dem die Zeit sich dehnt oder gar stehen bleibt. Egal ob es Portraits, Betrachtungen oder klein-sortierte Geschichten sind, fast immer beginnen sie mit einem Bild, das durch Gedanken, Eindrücke, verlangsamt wird. Eine andere Rezensentin hat dafür eine sehr gelungene, präzise Wendung gefunden und ihre Aussage, dass viele der Gedichte (auch vom Entstehen in der Vorstellung des Lesers her) Gemälden von Hopper ähneln, kann man nur unterschreiben.

Manche seiner Gedichte haben aber auch noch eine andere Dimension. Da wäre z.B. das Gedicht “Schwimmer am Morgen”, das mit einer geradezu übermetaphorischen Geste beginnt:

“Der abgeschnittene Fingernagel Mond
und die Sumpfdottersonne gegenüber
umschleichen den alten, alten Mann am See,
wie er der Sommerlast auf Zeit entschlüpft.”

und dann, im weiteren Verlauf, in eine geradezu empfindungsreiche Nähe abgleitet, die den Abstand zum Anfang gleichsam verdeutlicht und verschwinden lässt. Auch das sind Friedels Gedichte: Räume, die in sekundenschnelle die Distanzen verändern, die Dimensionen verstellen. Im Leben, das spürt man nur allzu oft, sind Distanzen oft schwer zu greifen – im Sein, im Raum, sind sie exakt festzulegen. Zwischen diesen beiden Vorstellungen bewegen sich Gedichte, als ein Ventil für beide Ideen – hier können sie zusammenkommen oder sich deutlich voneinander abheben. Und erzeugen Bilder und Bilderfolgen, welche die Tiefe einer Erinnerung und die Klarheit eines Augenblicks haben.

“sie legt ihre Hand an die Scheibe, behutsam,
als wäre das, was war, nur hinter Glas,
als wäre das, was war, noch nah.”

In ihrer sehr ruhigen und doch nicht selten kräftig-lyrischen Art, sind diese Texte gleichsam unkompliziert und stets mehr, als es zu Anfang den Anschein hat. Schlechte Gedichte haben immer einen Punkt, an dem es nicht mehr weitergeht – gute Gedichte erreichen diesen Punkt niemals. Und in dem Sinne gleichen sie der Schönheit, aber auch der Wahrheit (oder: sollten ihr gleichen), wenn diese simple Feststellung erlaubt ist. Denn auch diese beiden, erreichen ihre wahre Größe niemals, auch wenn sie sie uns jedes Mal als Möglichkeit vor Augen führen.

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