Als George Orwell “Animal Farm” schrieb, war es bereits sein vorletztes Buch (sein letztes sollte “1984” werden, kurz darauf starb er). Der Großteil seines Werkes war bereits, nahezu unbemerkt, erschienen, darunter dokumentarische und hellsichtige Werke wie “Mein Katalonien”. Orwell hatte als Obdachloser gelebt, war in Burma stationiert gewesen, hatte im spanischen Bürgerkrieg gekämpft und viele Artikel und Pamphlete verfasst. Überall prangerte er soziale Missstände an und verwies, wo es ging, auf die Leistungen der schwerarbeitenden Klassen der Gesellschaft. Als ein bekennender Sozialist und Humanist interessierte ihn vor allem die existenzielle Dimension des Daseins und er sah im Kapitalismus die große Problematik für die Gerechtigkeit in der Gesellschaft.
1946 erschien in der vierten Ausgabe der Zeitschrift Gangrel ein kurzer Artikel von ihm, mit dem Titel: “Warum ich schreibe”. (Auch enthalten in der Sammlung “Im Bauch des Wals”). Unter anderem schreibt er dort: “Farm der Tiere war das erste Buch, bei dem ich in vollem Bewusstsein dessen, was ich tat, versuchte, das Politische und das Künstlerische zu einem Ganzen zu verschmelzen.”
Und in der Tat ist Farm der Tiere eines der wenigen gelungen Beispiele für eine Verschmelzung von Kunstwerk und Kritik, von Parabel und Erzählung, von Engagement und Fantasie. Verschmelzung im wahrsten Sinne des Wortes, denn hier wird subtil und nachvollziehbar, in Etappen und doch im Ganzen, die Korrumpierbarkeit von Macht dargestellt und gleichzeitig ein wunderbares Märchen erzählt, so einfach und phantastisch und brutal, das es wahrhaftig als Chiffre dienen, aber auch als Lehrstück für Kinder gelesen werden kann.
Natürlich weiß nahezu jeder, worum es in Animal Farm geht und was abgebildet werden soll. Aber das kann man ganz beiseitelassen und es dann selbst erfahren, wenn man dieses wunderbare Buch liest. Es ist eine Lektüre, die einer großen Offenbarung gleicht und doch auch ein Genuss ist. Es gibt unvergleichliche und unvergessliche Figuren, es gibt Seitenhiebe und eine Komik, die so stark herauskommt und so tief trifft, dass man sich wundert, über die Kraft der Erzählung, über ihre starke Verbindung zum realen Vorbild.
Fakt ist, dass Animal Farm eines der wenigen vollkommenen Bücher ist, die ich in meinem Leben gelesen habe. Ja, das mag übertrieben klingen, aber ich bin jederzeit bereit, diese Übertreibung zu verteidigen, zu wiederholen. Hier ist eine kleine, aber umfassende, in jeder Faser gelungene Erzählung entstanden, die so viele Sinnbilder enthält, die uns zur Reflektion und zum Nachdenken zwingen und uns gleichsam tiefer in die Geschichte ziehen, beides zu gleichen Teilen. Ein (man kann es wagen, es zu sagen) Meisterwerk. Ein Buch, das jeder einmal gelesen haben sollte.