Zu den Erzählungen von Luise Boege in “Bild von der Lüge”


  “Im Volkspark Friedrichshain setzten wir uns nebeneinander auf eine Bank und ich führte im vor, dass ich in Wahrheit nicht mittelgut sondern überhaupt gar nicht spucken konnte, und nachdem ich meine Spuckunfähigkeit überzeugend vorgeführt hatte, blieb ich mit vorgestrecktem Kopf in einer eigenartig wippenden sitzen und sah auf den Boden vor uns, auf den ich nicht spucken konnte, und horchte in mich hinein und merkte, dass ich insgeheim an verschiedene mir bekannte Familienkonstellationen dachte, und ich begann mich umzusehen, ob im Volkspark Friedrichshain jemand war, den ich kannte und es war niemand da.”

Müsste man den Auftritt dieser Texte beschreiben, so würde diese Beschreibung eine eingetretene Tür und ein fröhlich grinsendes, aber irgendwie auch leicht irritierendes Gesicht beinhalten; letzteres schwebt plötzlich vor einem und referiert über ein Problem. Gut, mit dieser Beschreibung ist jetzt niemandem geholfen, der noch keine der Erzählungen von Luise Boege gelesen hat (auch wenn ich hoffe, dass diejenigen, die es getan haben, wissen, was ich meine).

Eine andere Art von gesammeltem Fazit zu finden erweist sich allerdings als schwierig, denn von dieser Auftrittsart abgesehen, sind die Erzählungen sehr unterschiedlich. Was sie alle noch gemein haben, ist ein gewisser Kniff, ein Spin, der sie aus ihrem Konflikt, der meist eine Bagatelle ist, in eine Literarität trägt; und von diesen Kniffs leben sie, sind oft mehr darin beheimatet, als in ihrem Thema. Es sind, so gesehen, aufgebauschte Formturnnummern. Aber auch das hilft vermutlich nicht weiter, wenn es darum geht, sich die Texte vorzustellen.

Vielleicht so: ganz gleich, ob es um das (Aus)Lesen eines Frauenleichnams geht, um Wikipedia-Artikel basierte Überlegungen zu Sinn und Widerspruch oder um das ganz große Spucken in den Mund, bei dem einem selbige wegbleibt: Luise Boeges Erzählungen sind verschroben, schräg, aber vor allem hintersinnig und darin auch witzig. Wer mit dieser Hintersinnigkeit nichts anfangen kann, dem werden die Texte vor den Augen herunterrasseln wie Sperrschranken und er wird vermutlich nicht in sie hineinfinden. Wer aber das Hintersinnige schätzt, dem tun sich hier Schätze auf; in diesen Erzählungen, die zwischen der Filigranversessenheit und Komik eines Franz Kafka und der ausgedehnten Unschärfe und Verzettelung der Postmoderne hin und her schwanken.

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