Das letzte Lexikon kann und will nicht mit den Heerscharen der Spezialisten und der profunden Sachkenntnis seriöser Enzyklopädien konkurrieren. Es ersetzt keinen einzigen Band eines ordentlichen Lexikons, flüstert aber allem Wissen und allen Wissbegierigen ein leises Memento Mori ins geneigte Ohr. Wir gleiten über einen unermesslich großen Ozean gefrorenen enzyklopädischen Wissens, bohren, mit stets unzulänglichen Mitteln, hier und da neugierig ein paar Löcher, um Trouvaillen, versunkene Schätze, Strandgut und der Bodensatz der Geistesgeschichte ans Tageslicht zu fördern
(Aus dem Vorwort)
Sie haben wohl ausgedient, die Mammutwerke, die säkularisierten Turmbaustellen zu Babel, die in den Antiquariaten und Kellern und Regalen verstauben; die Lexika von einst und heute. Schätzungen zufolge werden im 21. Jahrhundert pro Haushalt etwa 0,02 Prozent der Beiträge in diesen mehrbändigen Ungeheuern gelesen – bei dem Aufwand, der jahrhundertelang um diese Bildungsgewichte gemacht wurde, ist diese Zahl eigentlich eine Bankrotterklärung.
Aber natürlich hatte die Geschichte des Lexikons schon immer eine komische, absurde Note und die großen Projekte, von der großen Encyclopédie, bei der Denis Diderot mitwirkte, bis hin zur Encyclopædia Britannica, die der Journalist A.J. Jacobs immerhin in einem Jahr durchlesen konnte (und darüber ein Buch schrieb: Britannica & ich: Von einem, der auszog, der klügste Mensch der Welt zu werden), sind bis heute eigentlich ein perfektes Sinnbild für das Schicksal hochstechender Ideale: edel und mit zu großem Anspruch vorbelastet, sind sie meist zum Scheitern im großen Stil bestimmt.
Das Internet hat diese Absurdität natürlich etwas gewandelt, sie teilweise deutlicher herausgestellt und doch viele Probleme gelöst, mit denen Enzyklopädien seit jeher zu kämpfen hatten: Aktualität, Platz, Auswahl, Spezialist*innensuche etc. Die generelle Idee aber hat noch einmal Aufwind bekommen: was wäre, könnte man alles Wissen von allen sammeln und alle könnten davon profitieren? Wäre das nicht das Paradies? Der Fahrstuhl zur Vervollkommnung? Der Schlüssel zu allem?
Vermutlich nicht, denn wenn das “Letzte Lexikon” eines zeigt, dann, wie sehr Wissen ideologisch gefärbt ist und nicht nur vom Stand der Forschung, sondern auch von Deutung und Akzeptanz abhängt. Die alten Originalbeiträge, die die drei Autoren zusammengetragen haben, aus Lexika des 18ten, 19ten und 20ten Jahrhunderts, haben somit oftmals etwas Obskures und Kurioses – wenn auch leider nicht immer in dem erheiternden Maß, das man sich vielleicht bei einem Buch wie diesem erhofft.
Trotzdem lädt es wunderbar zum Schmökern ein und die gelegentliche Antiklimax der Erwartungen muss dann einfach mal hingenommen werden; auch im Banalen steckt ein Glanz, das haben Lexika ja schon immer gepredigt. Wer ein Buch sucht, in das er immer mal wieder einen Blick werfen kann, ein Anti-Lexikon, das doch irgendwie ein Lexikon ist: Voila. Hier ist es.