Monthly Archives: November 2017

Zu der George Lucas Biographie von Brian Jay Jones


Das war 1975. Und niemand, auch nicht Lucas, war klar, dass er mit den Sequel- und Merchandising-Rechten gerade eine Milliarden-Dollar-Klausel ausgehandelt hatte.

Das war am Anfang. Also nicht ganz am Anfang. Ganz am Anfang steht in jeder Biografie die Geburt, das Aufwachsen, die Begegnung mit den Faszinationen, die später, tranformiert, das Werk prägen werden.
Es ist eine schwierige Gratwanderung, eine George Lucas-Biographie zu schreiben. Denn sein Name ist so sehr Synonym für Star Wars (oder vielleicht Indiana Jones oder meinetwegen auch visionäre Sound- und Animationstechnik), dass ein Biograph einerseits Gefahr laufen könnte, zu viel Gewicht auf die Geschichte dieser Werke zu verwenden, in Ausmaßen, die mit Lucas Leben und Schaffen nicht mehr direkt etwas zu tun haben oder es überschatten und andererseits besteht das Risiko, dass eine George Lucas-Biographie die Fans enttäuscht, wenn sie den mit seinem Namen fest verknüpften Werken zu wenig Platz einräumt.

Bedenkt man diese Voraussetzungen, so erkennt man schnell, dass Brian Jay Jones eine gute Balance geglückt ist: Das Buch ist eine Biographie der Persönlichkeit von Lucas und keine Biographie von Krieg der Sterne oder einem anderen Projekt. Auch wer ein Buch sucht, in dem das Verhältnis zwischen Lucas und der Inspiration zu seinen Filmen komplexer beleuchtet wird, wird hier nur bedingt fündig werden (und ich würde ihn oder sie eher an “Star Wars, Magie und Mythos” oder direkt an eine von Lucas Inspirationsquellen “Der Heros in tausend Gestalten” verweisen).
Zwar nennt Jones gewissenhaft die frühen und späten Inspirationsquellen und gibt immer wieder Abrisse über Hintergründe, Lektüren, frühere Stadien, aber derlei wird eher kurz am Wegrand aufgetürmt und selten vertieft.

Überhaupt legt Jones Biographie zumeist ein straffes Tempo vor, schafft es so allerdings, das Hin und Her von Lucas jahrzehntelangem Kampf für ein eigenes, unabhängiges Studiogelände, seine Vision von Kino, die Perfektionierung seiner Werke zu verkörpern. Auf diesem Wege gelingt dem Buch auch das Einfangen von Lucas zurückhaltendem, teilweise sehr eigenbrötlerischem Charakter.
Etwas überstrapaziert wird die Einbindung von Wortmeldungen von Weggefährt*innen, Freund*innen und sonstigen Beteiligten (über das ganze Buch verteilt gibt es über 1500 Quellenhinweiszeichen, die zu einem umfangreichen Register gehören und fast alle auf wörtliche Aussagen in Interviews, Dokumenten, Biographien, etc. verweisen). Natürlich ist das Zusammentragen einer so umfangreichen Meinungssammlung verdienstvoll und in den vielen Zitaten spiegelt sich das Bild von George Lucas in all der Vielschichtigkeit wieder, die eine Biographie bei einem Menschen herausarbeiten sollte. An einigen Stellen ist die Redundanzdichte aber wirklich zu hoch.

Der Biographie geht es auch weniger um Lucas Faszination, mehr um die enormen Widerstände, technischen Hindernisse, zwischenmenschlichen Probleme und Schwächen, die in Lucas Person und Werkgeschichte eine zentrale Rolle spielen; sie werden geradezu minuziös ausgebreitet. Mitunter hat man das Gefühl, Jones hat an sich selbst den Anspruch gestellt, eine dezidiert kritische Arbeit vorzulegen. Auch wenn er Lucas Verdienste und Erfolge betont und illuminiert, lässt er keine Gelegenheit aus, um auf Niederlagen, Fehler oder die Schrulligkeit des Portraitierten einzugehen.

Das ist vielleicht auch der Tatsache geschuldet, das Lucas, obwohl er der Schöpfer von Star Wars und Indiana Jones ist, kein wirklich aufregendes Leben hatte und die Dramatik aus dem geschaffen werden muss, was da ist. In relativem Wohlstand geboren und nie vor wirklich existenzbedrohende Entscheidungen gestellt (auch wenn er manchmal enorme Risiken einging, von sich aus), nie auf der Suche nach allzu großen Abenteuern, ist Lucas Leben die Geschichte eines mutigen, aber doch nicht tollkühnen, Visionärs, der durch Glück und Hartnäckigkeit zum Schaffer einiger popkulturell sehr bedeutsamer Ideen und Figuren wurde.

Alles in allem ist die Biographie ein schöner Schmöker. Ich hatte mir schon erhofft, gerade im letzten Kapitel ein wenig über Lucas Treatments für die neueren Filme zu erfahren (auf die Disney ja dann nicht zurückgriff) oder über seine Einstellung zum EU und dem Star Wars Franchise. Doch gerade in den letzten Kapiteln geht es vor allem um die Skywalker-Ranch und die Formalitäten beim Verkauf an Disney und Lucas neuste Projekte, seine derzeitige Lebenssituation.

Doch, und das ist schon wichtig zu betonen: Jones ist hier ein sehr authentisches Porträt gelungen – was man schon daran sieht, dass es eben nicht in jedem Moment vor Spannung sprüht. Gewissenhaft geht er vor, im richtigen Moment mit Witz, Anekdoten oder Differenzierungen punktend. Alles in allem also: der geballte George Lucas, unverstellt, ein ungeschönter Gesamteindruck.

Übersetzung eines Gedichts von Adam Aitken


hab gemeinsam mit der Dichterin Cornelia Hülmbauer ein Gedicht des Australiers Adam Aitken übersetzt, hier zu finden beim Signaturen-Magazin.de

Im Original erschien das Gedicht zuerst im Issue #1 des SurVision-Magazins

Zu “Ungestraft unter Palmen” von Hans Christoph Buch


„Sich vom Eurozentrismus zu distanzieren, gehört fast schon zum guten Ton, aber ein Rückblick auf die Agenda des Jahres 2014 zeigt, wie selektiv unser kulturelles Gedächtnis war und ist. Zwar wurde bis zum Überdruss an 1914 erinnert, doch die Schlacht von Dien Bien Puh 1954, die Frankreichs Präsenz in Asien beendete, fiel ebenso unter den Tisch wie die 1884 von Bismarck einberufene Kongo-Konferenz, auf der Europas Großmächte Afrika wie eine Schokoladentorte aufteilten – die Sprach- und Siedlungsräume durchschneidenden Grenzen haben bis heute Bestand.“

Um es von vornherein auf den Punkt zu bringen: dieses Buch ist eine Fundgrube, eine literarisch-essayistische vielfältige Show, die großes Lesevergnügen bietet. Ich mag die feine Selbstverständlichkeit, mit der Buch sich durch die Weltliteratur bewegt, und ganz gleich, ob er bei den Klassikern verweilt oder Entlegenes und Unbekanntes einer Betrachtung, Ausschöpfung und Skizzierung unterzieht – seine beschwingte Begeisterung garantiert lesenswerte, inspirierende Exkursionen.

„Ungestraft unter Palmen“ ist aber auch ein breites Sammelsurium und die einzelnen Texte stammen aus vielen unterschiedlichen Zusammenhängen. Interviews, Biographisches, Rezensionen, Studien, Essays, Mischformen bilden einen gemeinsamen Inhalt, der durch nichts konsequent zusammengehalten wird (wenn auch Ober-Kapitel ein paar lose Einteilungen abstecken).

Dies sollte man dem Buch nicht zum Vorwurf machen: In dieser, ins Thema preschenden, formalen Freiheit, die schnelles Aufziehen und Verknüpfen einschließt, ist Buch schließlich in seinem Element, hier gelingen ihm Illumination und kurzweilige Tiefe. Da seine Begeisterung und sein großes Register an Anekdoten und Verweisen ungeheuer ziehen, vermisst man den Rahmen eher selten.

Nur am Ende, habe zumindest ich ihn vermisst, weil sein Fehlen es schwerer macht, die Lektüre als Gesamtes zu rekapitulieren; der Text strömte beim Lesen vorbei und ergriff mich mit diesen Strömungen, aber ich schwamm selten selbst, wurde mitgezogen, mitgerissen, in Bann geschlagen, aber selten meinen eignen Gedanken überlassen; Buch leiert vieles gut an, weil er es aber nicht unbedingt konsequent selbst verfolgt, bleibt es ein Funke, der in den Lesenden nicht unbedingt zur Flamme reift.

Trotzdem ist „Ungestraft unter Palmen“ sehr lesenswert, vor allem weil es tatsächlich vielerlei Wege in die Welt der Literatur bahnt, Trampelpfade und Alleen, und dabei nicht nur gegen eurozentristische Klischees vorgeht, sondern allgemein eine diverse Perspektive forciert und erschafft – etwas, dass es dringend braucht. Denn, wie Buch Alexander von Humboldt zitiert:

„Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung derer, die die Welt nie angeschaut haben.“

Und nicht differenziert genug angesehen haben. Literatur ist im besten Fall die differenzierte Weltbetrachtungsschule par excellence. Das zeigt Buch wunderbar auf und sein Buch zählt selber zu jenen, die Bewusstseinsgrenzen erweiternden Werken.