Zu “Meine Geschichte der deutschen Literatur” von Marcel Reich-Ranicki


Meine Geschichte der deutschen Literatur Unter „Meine Geschichte der deutschen Literatur“ darf man sich keine stringente Rekapitulation vorstellen, es ist auch keine Sammlung von Interviewabschriften oder dergleichen, sondern eine Art Best-of von Reich-Ranickis Artikeln, Rezensionen, Gedichtinterpretationen und Buchbeiträgen, Reden, Vorträgen und Nachrufen aus seiner langen Karriere als Kritiker und Buchautor.

Zur Einführung gibt es direkt zwei sehr spannende Texte über Juden in der deutschen Literatur und Dichtungen von Frauen, die erstaunlich feinfühlig ausfallen, wenn man bedenkt, dass Reich-Ranicki oft und gern auf die Pauke haute. In der Zeit vom Mittelalter bis zur Romantik gibt es viele kurze Portraits, lediglich Lessing, Goethe und Hölderlin bekommen etwas mehr Raum, wobei gerade im Goethe-Teil ein wunderbarer Artikel über seine Positionierung zur Literaturkritik enthalten ist. Auch seine Rühmung von Lessing ist formidable.

Das Kapitel „Vormärz und Realismus“ fällt sehr karg aus, die meisten Seiten bekommt Richard Wagner. Oft liebevoll und klug geht es dagegen bei den Texten zur Literatur von 1900-1933 zu, von Arthur Schnitzler bis Erich Kästner. Deutsche Literatur nach 1945 war dann ja Reich-Ranickis Tagesgeschäft und hier findet sich einfach ein Best of aus dem ebenfalls erschienenen Band „Meine deutsche Literatur seit 1945“ – mit dabei der Blechtrommelverriss (allerdings plus späterem Eingeständnis des Irrtums), Texte zu Böll, Lenz, Bachmann, Walser, allerdings auch einige Überraschungen, wie etwa ein Nachruf auf Ernst Jandl und Texte zu Ulla Hahn und Elfriede Jelinek.

Es ist vermutlich die beste Sammlung von Texten von Reich-Ranicki und wer eine gute Portion Kritikerpapst im Regal stehen haben will, der ist mit dieser Ausgabe gut bedient und hat das Wichtigste beisammen.

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