Monthly Archives: October 2020

300 Statements von Ruth Bader Ginsburg


300 Statements

„Diese Erfahrung, die haben Frauen meiner Generation alle gemacht. Wenn eine Frau da Wort ergreift, hört keiner mehr hin. Sie hat ja ohnehin nichts Wichtiges zu sagen. Aber das hat sich heute, glaube ich, geändert.“

(aus eine Rede an der University of Colorado Law School, 19. September 2012)

Ruth Bader Ginsburg hat Zeit ihres Lebens ihre Mutter als „klügsten Menschen, den ich je kannte“ bezeichnet. Diese aber hatte, trotz ihres brillanten Verstandes, aufgrund ihres Geschlechts keinerlei berufliche Aufstiegschancen. Ihre Tochter ging auf die Law School, wurde Anwältin, Richterin (am Ende sogar am obersten Gerichtshof) und hatte dabei immer ein Ziel im Auge: die Gleichstellung von Mann und Frau, in jeglicher Hinsicht.

In den USA ist RBG eine Ikone der Frauenbewegung, aber auch in weiten Teilen der übrigen Bevölkerung genoss sie Kultstatus und allgemeines Ansehen. Sie ist eine der wenigen Richter*innen des Supreme Court, die mit großer Mehrheit im Senat bestätigt wurden – es gab lediglich drei Gegenstimmen, bei 96 Ja-Stimmen. Am 18. September 2020 ist sie verstorben, was nicht nur den linken Flügel im Supreme Court schwächt, die US-amerikanische Gesellschaft verlor vor allem eine wache und kritische Stimme.

Wer diese Stimme vernehmen will, der kann unter anderem zu dieser Publikation greifen, in der 300 Stellungnahmen, Interviewaussagen, Redebeiträge, Beschlüsse, etc. von Ruth Bader Ginsburg gesammelt wurden. Es sind nicht unbedingt alles kämpferische und pointierte Zitate (wobei es derlei durchaus gibt; zum Beispiel wurde sie einmal gefragt, da jetzt drei Frauen im Supreme Court säßen, ab wann wären es genug? Und sie antwortete: wenn wir zu neunt sind). Viel eher sollte man auf Zitate gefasst sein, in denen sich die wichtigen Fälle und Entscheidungen der Justiz in den USA spiegeln, eine Art kommentierte Rechtsgeschichte.

Im Anhang befindet sich dann noch eine Chronik, die wichtige Meilensteine in RBG Leben auflistet und erläutert. Alles in allem: ein Buch, das ein vielschichtiges Bild dieser bemerkenswerten Frau wiedergibt. Und hoffen lässt, dass die von ihr vielfach beschworenen Fortschritte und Errungenschaften eine Zukunft haben.

Ein Roman zwischen magischem und historischem Realismus


Der Wassertänzer

Eines der Bücher die mich in den letzten Jahren nachhaltig beeindruckt haben, war Ta-Nehisi Coates Essaysammlung „We were eight years in power – Eine amerikanische Tragödie“; acht Texte aus der und über die Zeit der Obama-Präsidentschaft. Ich hatte das Gefühl einige Aspekte der schizophrenen US-Gesellschaft endlich verstanden zu haben; oder, besser gesagt: verstanden zu haben, was dort schieflief und warum trotzdem niemand etwas tat.

Für mich stand nach der Lektüre fest, dass Coates zu den Schriftsteller*innen gehört, von denen ich alles lesen will. Also besorgte ich mir den Roman „Der Wassertänzer“ – und der Stil darin überraschte mich. Ich hatte mit einer klaren, relativ schnörkellosen Sprache gerechnet, aber Coates legte einen ganz anderen Ton an den Tag, als in seinen Essays: filigraner, vielfältiger. Was zu einem Roman auch viel besser passt.

Erzählt wird die Geschichte von Hiram Walker, einem Sklavenjungen, der allerdings auch der Sohn des Besitzers der Plantage ist, auf der er aufwächst. Von Anfang sitzt er somit zwischen Stühlen, bewegt sich zwischen den Welten der Weißen und Schwarzen. Er besitzt ein fotographisches Gedächtnis (eine starke Metapher in diesem Kontext, nach dem Motto: gegen das Vergessen) und, wie sich später herausstellt, auch einige weitere, nahezu übernatürliche besondere Fähigkeiten. Mit diesen wird er, nach seiner Flucht von der Plantage, zu einer wichtigen Figur im Underground der Anti-Sklaverei-Bewegung …

Coates Roman ist ein fesselndes, differenziertes Werk, das gut die Balance hält zwischen historischen und phantastischen Elementen. Vor allem gelingen ihm plastische Figuren, die einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Viele Motive lassen sich auch als übergreifende Metaphern interpretieren und der Romankosmos hat, gegen Ende, in vielerlei Hinsicht die Wucht einer Saga oder Legende. Ein sehr lesenswertes Buch auf jeden Fall!

Zu den Errungenschaften in Gesellschaft und Politik


Der Wert der Geschichte

„Merkwürdig ist, dass das Lernen aus der Vergangenheit in der harten Welt der Medizin oder des Ingenieurwesens für uns ganz selbstverständlich und alltäglich ist, während wir in der weichen Welt des menschlichen Zusammenlebens – in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – immer wieder feststellen, dass Menschen in Haltungen und Handlungsweisen zurückfallen, die einer Blinddarmoperation mit dem Küchenmesser gleichen. […] An vielen Beispielen werde ich in diesem Buch zeigen, wie sich bestimmte Errungenschaften, Regeln und Werte im Verlauf der Geschichte entwickelt haben, die heute die Grundlagen unserer freiheitlichen Ordnung bilden. Es geht um zentrale Bereiche der weichen Welt: die Frage nach dem Menschenbild, das unseren Vorstellungen zugrunde liegt; en Einfluss von Religionen; die Bedeutung der Geschlechterverhältnisse; den Wert politischer Partizipation; […] Dies ist kein Fachbuch der Geschichtswissenschaft. Es wendet sich an Menschen, die nicht notwendigerweise Geschichte, Politik, Philosophie und Soziologie studiert haben müssen. Und die dennoch wissen wollen, warum die Erkenntnisse aus all diesen Disziplinen Bedeutung für ihr Leben und ihren Alltag haben können.“
(aus dem Vorwort)

Gleich vorweg: wer in Magnus Brechtkens Buch auf etwas Neues hofft, der wird enttäuscht werden. Das Buch deshalb schlecht oder misslungen zu nennen, würde weit daneben greifen, denn es war nie die Absicht des Autors, wie er im Vorwort auch darlegt, ganz neue Erkenntnisse zu präsentieren. Vielmehr geht es ihm darum, Bekanntes – oder zumindest: Vorhandenes – wieder in Erinnerung zu rufen und aufzuzeigen, inwieweit es für uns heute relevant ist. Nicht nur als Geschichte, sondern als Erbe und als Perspektive, als Warte über den Dingen.

Bei jedem Thema (seien es: Geschlechter, Religion, politische Agitation) startet er zunächst mit einer Nacherzählung, einem „so sind wir in die Gegenwart gekommen“; dann zeigt er auf, warum die Gegenwart, obgleich sie das Produkt der Entwicklungen ist, immer noch dem Hochhalten der Erkenntnisse bedarf, die diese Entwicklungen bedingten und in Gang hielten. Wenn wir uns auf die ursprünglichen Transformationen und Gedanken dahinter besinnen, so meint Brechtken, dann erkennen wir die heutigen Zustände in vielerlei Hinsicht als die Errungenschaften, die sie sind.

Der Gedanke hinter diese Unterfangen, dass Fortschritt etwas ist, das sich auch in Disziplinen wie Politik oder Gesellschaft feststellen lässt, ist natürlich gewagt (wenn auch nicht ganz von der Hand zu weisen). Philipp Blom hat in seinem Buch „Das große Welttheater“ stimmig argumentiert, dass Errungenschaften auf diesen Feldern fragiler und anfälliger sind als auf den Gebieten der Naturwissenschaften, meist gesteuert, manipuliert und zusammengehalten werden von Narrativen, nicht von sauberen Ausschlussverfahren und Belegen.

Das stellt Brechtken natürlich auch nicht in Abrede. Und ihm gelingen einige vortreffliche Kondensate, er bringt manches wunderbar auf den Punkt, bspw. wie man vom Menschenbild auf andere ideologische Aspekte einer Bewegung schließen kann und warum das Menschenbild sowieso der zentrale Aspekt aller Weltanschauungen ist. Sein Buch „Der Wert der Geschichte“ ist vor allem für Menschen zu empfehlen, die einen schnellen, unkomplizierten Zugang suchen und sich mit vielfältigen historischen Prozessen auseinandersetzen wollen. Am Ende gibt es dann auch noch 10 handfeste Lektionen/Ideen, die helfen können, politisch wach und aufmerksam zu bleiben.

Kritik der Begriffskraft in Klimadiskursen


Klima, Sprache, Moral

„Um von den Fakten zu konkreten Handlungszielen zu gelangen, bedarf es eines großen Schrittes. Über diesen Schritt wird verhältnismäßig wenig gesprochen – und zu diesem Schritt hat die Philosophie einiges zu sagen.“

Dass der Klimawandel zu den großen globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gehört, ist zwar nicht unbestritten, aber mehr als ausreichend beglaubigt. An diesem Faktum will auch Johannes Müller-Salo nicht rütteln, wenn er in seinem Buch „Klima, Sprache und Moral“ einige Fallstricke und Problematiken in den heutigen Klima-Diskursen aufzeigt.

Ihm geht es nicht darum, die Bewegungen für den Klimaschutz in Verruf zu bringen – aber er will deutlich machen, dass dieses Thema ein Schlachtfeld ist, auf dem es vor allem auf eine Waffe ankommt: die Sprache. Narrative und Begriffe vermögen es, Menschen zu überzeugen und zu motivieren. Fakten und Zahlen sind schön und gut und wichtig, aber ohne eine Erzählung, ohne die richtige Sprache, ziehen nicht genug Menschen mit.

Und so fühlt Müller-Salo der Sprache der Klimadiskurse, mit ihren Leitgedanken und zentralen Aussagen, auf den Zahn, analysiert Begriffe wie Klimanotstand, Zukunftsraub und Natur, auf sprachlicher und auf moralischer Ebene. Sein Fazit lautet, in vielerlei Hinsicht: so gut gemeint viele Schlagworte & Wendungen auch erscheinen, wie oft sie auch ins Feld geführt werden, wie sehr sie Dinge auf den Punkt zu bringen scheinen (als Beispiel: „Wir haben die Erde nicht von unseren Vorfahren geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen“), philosophisch gesehen sind sie alles andere als wasserdicht, voller sprachlicher und moralischer Untiefen, Fragwürdigkeiten.

Natürlich ist der Klimawandel nicht die erste Krise, bei der mehr mit Emotionen als mit Konkretionen, mehr mit großspurigen Ansagen als mit filigranen Überlegungen gearbeitet wird. Müller-Salo pocht auf die Philosophie, sieht sie (und beruft sich dabei auf Wittgenstein) „als Kampf gegen die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache“. Das kann sie ohne Zweifel sein und seine Darlegungen sind in dieser Hinsicht hilfreich, geben zu denken.

Die Frage ist, ob eine solche philosophische Kritik in irgendeiner Form Chance auf Gehör hat, in einer Welt, deren mediale Öffentlichkeit von schnelllebigen Sprüchen, liebgewonnenen Vorstellungen und komplexen Abhängigkeiten bestimmt wird. Oder vielleicht ist das nicht die Frage. Eher: Wie gelangt man von den Fakten, die unbestreitbar sind, zu Zielen, die überzeugen und gut umzusetzen sind? Hier hat die Philosophie einiges anzumerken, allerdings, in diesem Buch, mehr über das „so nicht“ als über das „so“.

Die zwei großen Narrative Literatur und Wissenschaft


Erkenntnis und SChönheit

Naturwissenschaft und Literatur, zwei große Narrative der Menschheitsgeschichte. Beiden sind Vorstellungen von Fortschritt und Tradition eingeschrieben, beide wollen die Welt darstellen, wollen das Innenleben jener materiellen und ideellen Form von Dasein ergründen, die in diesem Universum und all seinen Erzeugnissen vorherrscht.

Diese beiden Narrative, versponnen und gegeneinandergehalten, sind es, die McEwan in den Mittelpunkt nahezu aller Texte in diesem Band gestellt hat, von denen vier Vorträge sind und einer ein Artikel, gehalten bzw. publiziert zwischen 2003-2019. Der letzte Text legt dann noch einen besonderen Fokus auf die Religion (das dritte große Narrativ), genauer auf Endzeitvorstellungen.

Eine Persönlichkeit, die in den anderen vier Texten immer wieder eine Rolle spielt, ist Charles Darwin. Für McEwan ist er nicht nur als Begründer der Evolutionstheorie interessant, sondern auch (und teilweise vielmehr) als Literat. „Die Entstehung der Arten“ und auch Darwins andere Bücher, allen voran „Der Ausdruck der Gemütsbewegung bei Menschen und Tieren“, sind für McEwan nicht einfach nur wissenschaftliche Texte, Beweise für Theorien, sondern Literatur im besten Sinne.

Mehr als einmal bricht McEwan, nicht nur im Fall von Darwin, im vorliegenden Buch eine Lanze für die Wissenschaftsliteratur, ja, für die Wissenschaft(geschichte) als große Erzählung von den Dingen, die der Literatur näher steht, als uns die Trennung in arts und science glauben lässt. Denn obgleich es der einen um die Schönheit, der anderen um die Erkenntnis zu gehen scheint, findet sich auch in der Literatur Erkenntnis und in der Wissenschaft Schönheit. Ihre Ziele und vor allem ihre Errungenschaften haben einiges gemeinsam.

McEwan ist ein sehr non-stringenter Essayist. Er arbeitet keine klare Conclusio heraus, vielmehr sind seine Texte ein konstantes Vermitteln von Ideen, Referenzen, Verhältnissen, Möglichkeiten. Das ist angenehm, inspirierend, mitunter aber ist die Bewegung des Textes, trotz ihrer Eleganz, schwer nachzuvollziehen. Wer sich an dieser leichten Inkonsequenz nicht stört, dem wird McEwan in seinen Texten einen ganzen Kosmos an Überlegungen, Lektüren und Geschichten eröffnen.

Vom Verhältnis der Intelligenzen bei Mensch und Maschine


Ramge KI

„Auf den kommenden rund 100 Seiten versuche ich […] der Frage nachzugehen, warum es uns so schwerfällt, Entscheidungen zu treffen, und wie maschinelle Entscheidungsassistenz uns genau in einem solchen Fall dabei helfen könnte, unsere menschliche Entscheidungsintelligenz zu erhöhen.“

Maschinen wissen immer, was zu tun ist. Menschen nicht. Diese Feststellungen sind das Fundament für die Glaubensgrundsätze/Ausgangslagen in einer großen Anzahl von dystopischen Sci-Fi-Filmen und Büchern, in denen es um das Verhältnis von/den Unterschied zwischen Mensch und Maschine, Berechnung und Intelligenz, Verstand und Gefühl geht.

Oft die zentrale Frage: können Maschinen (vor allem KIs) bessere Entscheidungen treffen als wir? Der Mensch ist Geist, aber auch Körper, mit Bedürfnissen, Trieben, Ängsten, Abhängigkeiten, etc., die allesamt unsere Entscheidungen in einem hohen Maß bedingen, vielleicht sogar mehr als unsere intellektuellen Kompetenzen. Im Prinzip ist eine KI die Vision eines Geistes ohne Körper; Verstand, der durch nichts mehr von seiner Kernkompetenz abgelenkt wird.

In all diesen Filmen und Büchern haben die KIs meist beeindruckende Fähigkeiten im Bereich der Berechnungen, aber auch der selbstbestimmten Entscheidungen erlangt. Fast immer kommt es dann zur Katastrophe, weil es ihnen trotzdem an sozialer Kompetenz mangelt. Hat soziale Kompetenz Auswirkung auf die Qualität von Entscheidungen?

„Wer eine Entscheidung trifft, macht sich angreifbar. Wenn alles klar ist, treffen wir keine Entscheidung, sondern setzen eine logische Schlussfolgerung um. […] Nur die Fragen, die prinzipiell unentscheidbar sind, können wir entscheiden.“

Thomas Ramge Buch ist im Prinzip eine mit Beispielen unterfütterte Erläuterung des Entscheidungsverhaltens von Menschen und Maschinen, und wie dieses, kombiniert oder voneinander lernend, verbessert werden kann. Er machte im Verlauf des Textes aber auch ein paar interessante Definitionsunterschiede fest, z.B.: was Entscheidungen sind und wo der Unterschied zwischen komplizierten und komplexen Entscheidungen liegt.

In Ersteren sind Maschinen, KIs und Algorithmen besser, denn dort geht es vor allem darum, auf einen bestimmten Feld, das klar definierten Funktionen und Parametern unterliegt, eine große Datenmenge zu überblicken, zu analysieren und statistische Wahrscheinlichkeiten daraus abzuleiten. Bei komplexen Entscheidungen wiederum, ist der Mensch (tendenziell) besser, weil es hier oft darum geht, auch außerhalb von bestimmten Parametern zu denken, die Dinge nicht nur unter einem Gesichtspunkt zu betrachten. Es braucht eben doch soziale Kompetenz um komplexe, das Menschliche betreffende Entscheidungen zu fällen. Oder wie Ramge es formuliert:

„Das Leben ist aber nicht kompliziert. Es ist kein Schachspiel. Das Leben ist komplex. Es ist ein Fußballspiel. […] Maschinen haben mit Exponentialfunktionen freilich keine Schwierigkeiten, nicht einmal Taschenrechner. Doch verfügen wir Menschen im Unterschied zu fast allen ausgefeilten KI-Anwendungen über die Fähigkeit, logische Systeme zu wechseln, wenn wir merken: Die Situation ist anders als erwartet. Dann ziehen wir aus unserem Erfahrungswissen Rückschlüsse auf bis dahin unbekannte Situationen.“

Ramge weist des Weiteren darauf hin, dass KIs und Algorithmen die Welt nicht nur durchschaubarer, sondern gleichsam undurchschaubarer gemacht haben:

„Unser Leben im Allgemeinen und wirtschaftliche Abläufe im Besonderen sind dank der Rechenkraft im Zeitalter der Daten im Wortsinn berechenbarer geworden. Und zugleich bewirkt die Digitalisierung das genaue Gegenteil. Sie macht die Welt viel unberechenbarer, weil sie die Rahmenbedingungen für ihre Berechnungen destabilisiert.“

Auch wenn Ramge einiges Interessantes aufmacht, wiederholt und verzettelt er sich hier und da und springt manchmal allzu schnell von Beispielen zu Erläuterungen zu Zusammenfassungen, etc. Er argumentiert trotzdem gut, warum KIs und Algorithmen mit ihrer Rechenkapazität, vor allem in geschlossenen und klar definierten Systemen, wertvolle Arbeit leisten können, die, kombiniert mit unserer eigenen natürlichen Intelligenz, eine effektive Steigerung von Prozessen herbeiführen kann. Auf absehbare Zeit aber, wird keine Maschine uns das Denken abnehmen oder uns darin überflügeln können. Immer wieder, so Ramge:

„sehen [wir] uns zurückgeworfen auf die Kernkompetenz menschliche Intelligenz: herauszufinden, was zu tun ist, wenn wir nicht wissen, was zu tun ist.“

Zu der Auswahl deutscher Dichterinnen von Gisela Brinker-Gabler


Deutsche Dichterinnen

Ich besaß bereits eine Auflage dieses Buches aus dem Fischer-Verlag, die bei einem Umzug verlorenging. Dann kaufte ich mir die erste Auflage beim Anaconda-Verlag und verschenkte sie später an eine Freundin, die an einer Arbeit über weibliche Positionen in der Lyrik schrieb. Da es sich um eine wirklich tolle Zusammenstellung handelt, wollte ich sie auf jeden Fall ein drittes Mal nachkaufen und freute mich sehr, als diese Neuauflage erschien.

Zwar haben sich einige Gedichte geändert, aber es ist immer noch eine der besten Auswahlen, die ich in Bezug auf Lyrik von Frauen kenne. (Bei Reclam erscheint dieses Jahr das 800 Seiten Buch „Frauen | Lyrik“, das auch eine heiße Anwärterin auf einen Top-Platz ist, ebenso empfehlenswert sind die Bücher „Erotische Gedichte von Frauen“ und das von Ulla Hahn herausgegebene Buch „Stechäpfel“ bei dtv bzw. Reclam. „Die berühmtesten Gedichte von Frauen“ bei Kröner ist leider eine etwas unausgewogene Sammlung, mit einem deutlichen Überhang bei Annette von Droste-Hülshoff.)

Die Sammlung von Gisela Brinker-Gabler besticht durch biographische Einführungen und Porträtfotos der Autorinnen, sowie einem Anhang mit vielen Lektüretipps. Von jeder Autorin sind etwa 3-5 Gedichte abgedruckt, wie der Titel bereits sagt beginnt sie chronologisch bei den Barockdichterinnen und endet bei der Autorin Nora Gomringer (*1980). Es gibt einige wenige Gruppenabschnitte, u.a. für „Die Frauen von 1848“ oder Dichterinnen der Arbeiterbewegung. Die meisten Namen kennt man wohl, aber gerade in diesen Gruppenabschnitten sind einige Neuentdeckungen dabei, das kann ich garantieren.

Kurzum: eine sehr gute Auswahl, mit der man die meisten wichtigen deutschen Dichterinnen zumindest mit 3-5 Werken im Regal stehen hat. Ein Muss für jedes Bücher-/Lyrikregal.