Category Archives: Foto und/oder Bildband

Zu “Bäume – 70 Arten entdecken und bestimmen”


70 Arten Bäume Viele kennen die Verlegenheit, in die man gerät, wenn man mit einem Kind spazieren geht und es auf einen Baum am Wegrand deutet und fragt: was ist das für ein Baum? Wenn es sich nicht gerade um einen Ahorn oder eine Linde handelt, bin zumindest ich in den meisten Fällen überfragt und kann das nur kompensieren, in dem ich aus meinem Gedächtnis allerhand Bäume herauskrame (Buchen sollst du suchen, Weiden sollst du meiden … Platanen, Eichen, Fichten … Kiefer oder Tanne? … Lärche oder war das der Vogel?) und die Zuschreibung dann mit einigen Geschichten rund um die Eigenschaften des Baumes untermale, damit sie auch für mich den Anschein von Kenntnis bekommt.

Dieses kleine Büchlein im Taschenformat könnte mit der Zeit meiner Verlegenheit Einhalt gebieten, erweist es sich doch als gelungene Kombination aus Einführung und Übersicht. Nicht nur die versprochenen siebzig Arten werden geboten, die Auftakttexte des Buches widmen sich zusätzlich Fragen wie etwa: Was ist ein Baum? Wie funktioniert die Fortpflanzung bei Bäumen? Was bedeuten Bäume für das ökologische Gleichgewicht? Das Buch startet u.a. auch mit einer Auflistung der verschiedenen Grundblatttypen(fächerförmig, rund, dreieckig, etc.), nach denen die Bäume im Buch gruppiert sind.

Die einzelnen Baumarten werden dann jeweils auf einer Doppelseite kompakt dargestellt, unterteilt sind die Portraits in die Kapitel „Nadelbäume“ und „Laubbäume“. Das Aussehen der Bäume, Blätter und eventuellen Früchte ist jeweils auf der rechten Buchseite sehr schön in Szene gesetzt (ganz selten vielleicht etwas zu malerisch); zusätzlich weisen kleine Kalender die Blüte- und die Fruchtbildungszeit aus.

Auf der linken Seite finden sich Informationen zu Standort und Rinde, es gibt eine zusätzlichen Beschreibung von Erscheinungsbild, Blättern und Früchten + ein bisschen Trivia in Form von Besonderheiten. Symbole am Kopfende der Seiten geben Aufschluss verorten den Grundblattyp, kennzeichnen aber auch, ob die Bäume eher als kultivierte oder als wildwachsende Pflanzen vorkommen, ob sie sommer- oder wintergrün sind und ob die Früchte oder andere Teile des Baumes giftig oder essbar sind.

Das Buch kann natürlich keine Enzyklopädie ersetzen und dürfte durchaus noch Fragen offenlassen, ist aber für den Einstieg wunderbar geeignet und punktet vor allem durch seinen liebevollen Touch und seine Kompaktheit und regt dazu an, es mit sich herumzutragen und es gleich bei einem ersten Spaziergang zum Einsatz zu bringen.

Zur Retrospektive der Werke von Miranda July/ to the retropsective of the works of Miranda July


Miranda July

Deutsche Version:

Miranda July ist wohl eine der faszinierendsten Künstler*innenpersönlichkeiten des 21. Jahrhunderts. Autorin, Regisseurin, Musikerin, Performancekünstlerin, Schauspielerin – und auch mit dieser Fülle an Begriffen lässt sich ihr Werk nicht ganz umfassen.

Nun liegt im Prestel Verlag zum ersten Mal der Versuch einer Retrospektive vor. Ich sage Versuch, meine damit aber nicht, dass der Katalog misslungen ist. Aber ich glaube, er darf als Versuch begriffen werden, als Fenster auf das Werk von July, nicht aber als Tür, durch die man all die darin verhandelten Werke ungehindert betreten und umfassend abschreiten kann. Wir reden hier schließlich auch von Filmen, Performances, Installationen, etc. Der Katalog tut sein Bestes, die Dimension der Werke zu würdigen und die Ausblicke, die er gewährt, werden wohl viele Leser*innen dazu animieren, schnellstmöglich nach einer Tür Ausschau zu halten.

Den Auftakt, vor der Auswahl der Werke aus den Jahren 1992-2020, bildet ein Gespräch zwischen July und Julia Bryan-Wilson, über Julys Kindheit, ihr Werk und dessen Motive. Die folgende Werkauswahl enthält sowohl Originalausschnitte aus Skripten, Fotomontagen, etc. als auch dokumentarische Fotos von Filmdrehs, Perfomances, etc., sowie eine größere Menge an Kommentaren von Mitwirkenden und Zeitzeugen.

Kurzum: für Fans von July und für diejenigen, die mit der ganzen Faszination ihres Werkes konfrontiert werden wollen, ist dieses Buch ein Fest.

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English version:

Miranda July is probably one of the most fascinating artists of the 21st century. Author, director, musician, performance artist, actress – and even this abundance of terms cannot fully encompasse her work.

The Prestel Verlag has now made a retrospective of her work. I say try, but I don’t mean that the catalog is bad or lacks substance. But I think it can be seen as an attempt, as a window on the work of Miranda July, but not as a door through which one can enter and fully admire all of the works in it. After all, we are talking about films, performances, installations, etc. The catalog does its best to show the dimensions of the work and the views and aspects it provides will probably encourage many readers to look for a door as quickly as possible .

The prelude, before the selection of works from 1992-2020, is a conversation between July and Julia Bryan-Wilson about July’s childhood, her work and its motifs. The following selection of works contains original excerpts from scripts, photo montages, etc. as well as documentary photos from film shoots, performances, etc., as well as a larger amount of comments from contributors, friends and contemporary witnesses.

In short: for fans of July and for those who want to be confronted with the full fascination of their work, this book is a feast.

Zu “Ansichten in stillem Blau” von Barbara Weitzel & Kornelius Wilkens


cover-ansichten-im-stillen-blau Alles begann mit einer Kolumne von Barbara Weitzel in der Berliner Zeitung, in der u.a. ein „Mozzarella“ Firefox auftrat. Dieses kulinarische Browser-Tier ließ den Maler und Graphiker Kornelius Wilkens zu Stift und Pinsel greifen. Das Ergebnis gefiel Weitzel so gut, dass eine längere Kooperation entstand, in der weitere Bilder zu Texten und Texte zu Bildern entstanden (leider erfährt man bei den einzelnen Texten nicht, ob sie auf die eine oder die andere Weise entstanden). Das Ergebnis ist der schöne Bild- und Textband „Ansichten in stillem Blau“. Seinem Namen bekam der Band wohl durch die Verschmelzung aller einzelnen Kapiteltitel: „Ansichten“, „Vom Blau“, „Stille“ und „Andere Ansichten“.

Auf den Doppelseiten ist jeweils ein Bild einem kurzen poetischen Text gegenübergestellt. Nicht selten verhandeln die Texte eine Situation, die auf dem Bild dargestellt wird, manchmal sind sie wie ein Ausschnitt aus einer längeren Geschichte, wie das Fragment einer lange begleiteten Figur. Im ersten Kapitel „Ansichten“ begegnen wir vor allem kleinen Disharmonien, Einschnitten. Über die Nacht heißt es in einem Text:

„Großes – Kummer, Fragen, Reue – hat jetzt seinen Auftritt.

Ein Fluchtauto für solche Fälle gibt es nur in Filmen.“

Wunderbar auch die Ausführungen zu Geschichten:

„Geschichten, die auf einen Misston enden, sind schlechte Geschichten.
Da sind sie wie Musikstücke.

Alle warten

auf den wirklich letzten Ton.
[…]
Geschichten, die zu zart sind, um zu Ende erzählt zu werden, haben es nicht leicht.

Dabei sind sie in der Mehrzahl.“

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Im zweiten Kapitel, „Vom Blau“, dominiert auf den Bildern die Doppelassoziation aus Himmel und Wasser, und in den Texten brauen sich Fetzen von kritisierter Wirklichkeit zusammen, Sätze sind hier wie einzelne Blitze, Entladungen. Die Sprache mäandert mehr, ist nicht mehr so erläuternd und auf klare Konturen aus, wogt, fragt.

„Als man den Himmel noch durchschwimmen konnte ohne Keuchen.

Die Frage, schwerer als zig Hektoliter: Werden die Einzelnen reichen für alle.“

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Im dritten Kapitel „Stille“ weichen die Farben fast vollständig aus den Bildern, neben Grau und Schwarz und Weiß nur noch hier und da ein dunkleres Blau. Die Texte sind wieder näher an den Bildern, verhandeln wieder ihre Motive, machen aus ihnen größere Metaphern, allgemeinere Betrachtungen.“

„Der Raum braucht nicht viel Platz zum Sprechen,
doch er nimmt ihn sich wenn man ihn lässt.“

Im letzten Kapitel „Andere Ansichten“ wird dann in den Texten noch einmal ein besonderer Fokus auf die Figuren gelegt, die in den Bildern erscheinen, deren dezent bunter Stil an das erste Kapitel anknüpft.

„Ansichten in stillem Blau“ hat viele Qualitäten, die Texte sind poetisch, aber auch unbequem, dann wieder meditativ, nachdenklich und verträumt, dann wieder arbeiten sie auf ganz besondere Art und Weise sorgsam die Stimme eines Momentes heraus, den die Bilder liefern.

Gerade für Leute, die mit Poesie etwas fremdeln, ist der Band in seinem Zusammenspiel aus Bild und Text sicherlich ein gutes Geschenk. Man kann sich in ihn versenken, aber auch nur hier und da das ein oder andere Neben- und Miteinander von Wort und Graphik genießen. Fazit: ein Buch zum immer wieder anschauen und lesen und eine schöne Welterkundung mit vielerlei Ansätzen!

Zum “Welttagebuch” von Alexandros Stefanidis und Julia Otterbach


Das Welttagebuch Haben Sie schon gewusst – am 4. Februar sollten Sie sich bei Ihrem Postboten bedanken! Verpassen Sie außerdem nicht die Gelegenheit, am 18. Mai kein dreckiges Geschirr zu produzieren oder zumindest direkt abzuspülen. Den letzten Donnerstag des Oktobers sollten Sie dann auf einem Schiff verbringen. Und am 1. August vielleicht eine Himbeersahnetorte?

“Das Welttagebuch” von Alexandros Stefanidis und Julia Otterbach ist an sich schon eine wunderbare Idee: alle inoffiziellen Feiertage versammelt zwischen zwei Deckeln. Als Kuriositätenkabinett hätte das Buch allerdings wohl schnell ausgedient, denn es ist schnell gelesen, aber es ist eben tatsächlich ein wunderbarer Begleiter durchs Jahr, der viele Anregungen bereithält, sich das eine oder andere mal wieder vor Augen zu führen (oder anderen Sinnen zuzuführen).

Wer dieses Buch verschenkt, der verschenkt somit auch nicht das x-te funny-stories-Buch oder eine weitere Packung unnützes Wissen – er verschenkt die Möglichkeit, jeden Tag einiger Aspekte der Welt und des Lebens gewahr zu werden, Genüssen und Fragen, Ideen und Problemen. Eine empfehlenswerte Anschaffung, die auf leisen Sohlen bereichern kann, wenn man täglich mal hineinschaut und dann über den Tellerrand hinaus.

Zu “Cinemaps” von Andrew DeGraff und A. D. Jameson


Cinemaps„Dieses Buch und seine Bilder sind eine Hommage an all die talentierten Menschen hinter den Kulissen meiner Lieblingsfilme. Bevor ich wusste, was ich einmal werden würde, wusste ich, dass ich so sein wollte wie sie.“
(Aus dem Vorwort)

Andrew DeGraff zeichnet schon seit einigen Jahren großartige Illustrationen und Landkarten für verschiedene Magazine und mit verschiedenen Stilen – es lohnt sich, einmal seine Arbeiten online zu begutachten.

Und es lohnt sich auch, dieses Buch anzuschaffen. Hier hat DeGraff eine spezielle Sparte seiner Kunst (und seiner Leidenschaft) in den Fokus gerückt: Cinemaps. Das sind Landkarten, auf denen alle Orte aus einem Film (oder einer Film-Trilogie) aufgezeichnet sind, verknüpft und verbunden durch Linien, die die Bewegungen der einzelnen Protagonist*innen (jeweils einer Farbe zugeordnet) darstellen. (Einige Regisseure, u.a. J. J. Abrams, haben bereits Drucke von Karten zu ihren eigenen Filmen gekauft.)

Für dieses Buch hat er fünfunddreißig Karten ausgewählt (aus etwa zweihundert; u.a. mit dabei sind Star Wars, Herr der Ringe, aber auch Filme wie Metropolis, Rushmore von Wes Anderson, Guardians of the Galaxy und Der unsichtbare Dritte von Alfred Hitchcock) und außerdem den Essayisten A. D. Jameson gebeten, zu jedem der Filme eine kurzen Text zu schreiben.

Diese Essays sind ein großer Gewinn, denn Jameson gelingt es, einem die Kunstfertigkeit der Filme vor Augen zu führen, wie sie gearbeitet sind, und gleichzeitig ihre Schönheit und ihren besonderen Zauber zu unterstreichen (auch der Übersetzer Berni Mayer hat hier allem Anschein nach sehr gute Arbeit geleistet); sie sind halb deskriptiv, halb hymnisch. Zusammen mit dem sympathischen Vorwort von DeGraff bieten sie ein wunderbares Geleit zu den großartigen Karten, die vom Zeichner auch in einigen Details erläutert werden.

Es ist eines dieser Liebhaber*innenbücher, etwas für Geeks und Nerds, für Freund*innen des Kunstdrucks und der Cineastic; einziger Wermutstropfen ist der Superlativ im Titel, der wirklich nicht hätte sein müssen. Es sind tolle Filme, aber nicht die 35 besten, das behaupten nicht mal die Autoren. Abgesehen davon kann ich nur sagen: es lohnt sich. Es ist ein Buch, das man immer wieder aus dem Regal ziehen wird, weil man diese Filme auch immer wieder sehen wird. Alle weitere Überzeugungsarbeit überlasse ich dem Autor:

„Mittlerweile könnten Sie zu der Meinung gelangt sein, dass ich ein ziemlich nostalgischer Typ bin, und ich möchte Ihnen da gar nicht widersprechen. Vielleicht ist dieses ganze Unterfangen auch einfach der eigennützige Versuch, die wunderbaren Erfahrungen meiner Kindheit noch einmal zu erleben. Betrachten Sie es als eine Art Einladung. Oder, ohne die Metapher überstrapazieren zu wollen: eine Eintrittskarte für unsere kollektiven Kindheitserinnerungen, egal, welcher Altersgruppe wir angehören. […] Es ist ein popkulturelles Familienalbum. Also nehmen Sie Platz, und erinnern Sie sich – nicht nur an die fiktiven Welten der Filme, sondern auch an Ihre ganz reale Welt, als Sie sie zum ersten Mal sahen. Den klebrigen Fußboden im Kino, den fleckigen Wohnzimmerteppich, den alten Fernsehsessel mit der Tagesdecke. […] Ich hoffe, dass diese Karten und Essays es ermöglichen, zu diesen Momenten zurückzukehren. Und dass sie unsere Liebe zu jenen Filmen vielleicht noch vertiefen, indem sie uns vor Augen führen, warum sie so gut sind.“
(Aus dem Vorwort)

Star Wars Cinemaps