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Zu der George Lucas Biographie von Brian Jay Jones


Das war 1975. Und niemand, auch nicht Lucas, war klar, dass er mit den Sequel- und Merchandising-Rechten gerade eine Milliarden-Dollar-Klausel ausgehandelt hatte.

Das war am Anfang. Also nicht ganz am Anfang. Ganz am Anfang steht in jeder Biografie die Geburt, das Aufwachsen, die Begegnung mit den Faszinationen, die später, tranformiert, das Werk prägen werden.
Es ist eine schwierige Gratwanderung, eine George Lucas-Biographie zu schreiben. Denn sein Name ist so sehr Synonym für Star Wars (oder vielleicht Indiana Jones oder meinetwegen auch visionäre Sound- und Animationstechnik), dass ein Biograph einerseits Gefahr laufen könnte, zu viel Gewicht auf die Geschichte dieser Werke zu verwenden, in Ausmaßen, die mit Lucas Leben und Schaffen nicht mehr direkt etwas zu tun haben oder es überschatten und andererseits besteht das Risiko, dass eine George Lucas-Biographie die Fans enttäuscht, wenn sie den mit seinem Namen fest verknüpften Werken zu wenig Platz einräumt.

Bedenkt man diese Voraussetzungen, so erkennt man schnell, dass Brian Jay Jones eine gute Balance geglückt ist: Das Buch ist eine Biographie der Persönlichkeit von Lucas und keine Biographie von Krieg der Sterne oder einem anderen Projekt. Auch wer ein Buch sucht, in dem das Verhältnis zwischen Lucas und der Inspiration zu seinen Filmen komplexer beleuchtet wird, wird hier nur bedingt fündig werden (und ich würde ihn oder sie eher an “Star Wars, Magie und Mythos” oder direkt an eine von Lucas Inspirationsquellen “Der Heros in tausend Gestalten” verweisen).
Zwar nennt Jones gewissenhaft die frühen und späten Inspirationsquellen und gibt immer wieder Abrisse über Hintergründe, Lektüren, frühere Stadien, aber derlei wird eher kurz am Wegrand aufgetürmt und selten vertieft.

Überhaupt legt Jones Biographie zumeist ein straffes Tempo vor, schafft es so allerdings, das Hin und Her von Lucas jahrzehntelangem Kampf für ein eigenes, unabhängiges Studiogelände, seine Vision von Kino, die Perfektionierung seiner Werke zu verkörpern. Auf diesem Wege gelingt dem Buch auch das Einfangen von Lucas zurückhaltendem, teilweise sehr eigenbrötlerischem Charakter.
Etwas überstrapaziert wird die Einbindung von Wortmeldungen von Weggefährt*innen, Freund*innen und sonstigen Beteiligten (über das ganze Buch verteilt gibt es über 1500 Quellenhinweiszeichen, die zu einem umfangreichen Register gehören und fast alle auf wörtliche Aussagen in Interviews, Dokumenten, Biographien, etc. verweisen). Natürlich ist das Zusammentragen einer so umfangreichen Meinungssammlung verdienstvoll und in den vielen Zitaten spiegelt sich das Bild von George Lucas in all der Vielschichtigkeit wieder, die eine Biographie bei einem Menschen herausarbeiten sollte. An einigen Stellen ist die Redundanzdichte aber wirklich zu hoch.

Der Biographie geht es auch weniger um Lucas Faszination, mehr um die enormen Widerstände, technischen Hindernisse, zwischenmenschlichen Probleme und Schwächen, die in Lucas Person und Werkgeschichte eine zentrale Rolle spielen; sie werden geradezu minuziös ausgebreitet. Mitunter hat man das Gefühl, Jones hat an sich selbst den Anspruch gestellt, eine dezidiert kritische Arbeit vorzulegen. Auch wenn er Lucas Verdienste und Erfolge betont und illuminiert, lässt er keine Gelegenheit aus, um auf Niederlagen, Fehler oder die Schrulligkeit des Portraitierten einzugehen.

Das ist vielleicht auch der Tatsache geschuldet, das Lucas, obwohl er der Schöpfer von Star Wars und Indiana Jones ist, kein wirklich aufregendes Leben hatte und die Dramatik aus dem geschaffen werden muss, was da ist. In relativem Wohlstand geboren und nie vor wirklich existenzbedrohende Entscheidungen gestellt (auch wenn er manchmal enorme Risiken einging, von sich aus), nie auf der Suche nach allzu großen Abenteuern, ist Lucas Leben die Geschichte eines mutigen, aber doch nicht tollkühnen, Visionärs, der durch Glück und Hartnäckigkeit zum Schaffer einiger popkulturell sehr bedeutsamer Ideen und Figuren wurde.

Alles in allem ist die Biographie ein schöner Schmöker. Ich hatte mir schon erhofft, gerade im letzten Kapitel ein wenig über Lucas Treatments für die neueren Filme zu erfahren (auf die Disney ja dann nicht zurückgriff) oder über seine Einstellung zum EU und dem Star Wars Franchise. Doch gerade in den letzten Kapiteln geht es vor allem um die Skywalker-Ranch und die Formalitäten beim Verkauf an Disney und Lucas neuste Projekte, seine derzeitige Lebenssituation.

Doch, und das ist schon wichtig zu betonen: Jones ist hier ein sehr authentisches Porträt gelungen – was man schon daran sieht, dass es eben nicht in jedem Moment vor Spannung sprüht. Gewissenhaft geht er vor, im richtigen Moment mit Witz, Anekdoten oder Differenzierungen punktend. Alles in allem also: der geballte George Lucas, unverstellt, ein ungeschönter Gesamteindruck.