„Genauso funktionieren rassistische Ideen und Mechanismen – und generell jede Form der Intoleranz: Wir werden dahingehend manipuliert, dass wir die Menschen als das Problem sehen und nicht die Politik, die sie hereinlegt.“
Es gleicht einem schweren Urteil, wenn man heute jemandem unterstellt, eine Aussage oder eine Handlung sei „rassistisch“. Als Feststellung kann eine solche Aussage kaum gelten – fast immer wird sie als Angriff, zumindest als Feindseligkeit ausgelegt. Anders gesagt: ein unaufgeregter, neutraler Diskurs über Rassismus ist kaum möglich. Das ist auf der einen Seite nachvollziehbar, schließlich reden wir von massiver Ungerechtigkeit, jahrhundertelanger Unterdrückung und fortdauernder Marginalisierung. Andererseits wäre ein halbwegs sachlicher Diskurs über Rassismus wichtig, damit es nicht einfach nur um Schuldige und Opfer, sondern um die Möglichkeit einer anderen Gesellschaft gehen kann.
Erstmal ist Rassismus kein Schimpfwort, sondern die geäußerte, verinnerlichte oder zumindest unbewusst angenommene Überzeugung, dass es so etwas wie Merkmale gibt, die bestimmte Menschengruppen teilen und – dies der verwerfliche Aspekt des Ganzen, der Rassismus zu einem Übel macht – das man von diesen Merkmalen und der Zugehörigkeit zu jener Menschengruppe Rückschlüsse auf den Charakter und Status eines einzelnen Menschen ziehen kann.
Es gibt diese Überzeugung in verschiedenen Ausprägungen: es gibt vehemente Verfechter und es gibt Gesellschaften in denen bestimmte Formen des Rassismus sehr präsent sind, geradezu verankert, so zum Beispiel in großen Teilen der Gesellschaft der Vereinigten Staaten von Amerika. Aber letztlich hat fast jeder Mensch hier und da rassistische Tendenzen. Sie gehören zu den normalen Vorurteilen, dem schematischen Denken, mit denen wir die Welt einteilen, erklären. Teilweise beruhen Vorurteile auf eigenen Erlebnissen, die wir haben, teilweise bekommen wir sie anerzogen, von den Eltern oder den Gesellschaften, in denen wir leben – zumindest werden wir mit einigen so oft konfrontiert, dass wir sie teilweise übernehmen, wenn wir nicht das Glück haben, Erfahrungen zu machen, die den uns umgebenden Meinungen widersprechen. Wir sind also alle, auf gewisse Weise, Rassisten/Rassistinnen. Leugnen ist dabei der erste Schritt in die falsche Richtung.
„Leugnen ist der Herzschlag des Rassismus, der quer durch alle Ideologien, Races und Nationen pulsiert. Er schlägt in uns. Viele, die Trumps rassistische Ideen anprangern, leugnen ihre eigenen.“
Wie können wir der Falle entgehen, einen Rassismus gegen den anderen auszuspielen und wirklich antirassistisch werden, also uns von Vorstellungen lösen, die glauben, ein Individuum über seine Hautfarbe, seine sexuelle Orientierung, seine Herkunft, sein Geschlecht, etc. definieren zu können, nicht über seine individuellen Meinungen und Handlungen?
Nun, hier in Ibram X. Kendis Buch finden wir eine Anleitung zu genau diesem Thema. Es ist eine persönliche Geschichte vor dem Hintergrund des Rassismus in den Vereinigten Staaten, aber auch ein Leitfaden für die Bekämpfung rassistischen Denkens und Handelns, spezifisch und generell.
„Ich glaube nicht mehr länger, dass eine schwarze Person nicht rassistisch sein kann. Ich lasse nicht mehr jede meiner Handlungen davon bestimmen, wie ein imaginärer »weißer« oder »schwarzer Richter« sie beurteilen würde, versuche nicht mehr, weiße Menschen davon zu überzeugen, dass ich ein gleichwertiger Mensch bin, und Schwarze Menschen davon, dass ich eine Race gut vertrete. Ich schere mich nicht länger darum, wie die Handlungen anderer Schwarzer Menschen auf mich zurückfallen, denn keiner von uns ist ein Repräsentant von Race, und kein Individuum ist verantwortlich für die rassistischen Vorstellungen eines anderen.“