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Zu “Der Dreißigjährige Krieg” von Ricarda Huch


Der Dreißigjährige Krieg Egal ob man es einen historischen Roman nennt oder ein anschauliches Geschichtsbuch, beides wird Ricarda Huchs Werk „Der Dreißigjähre Krieg“ nicht ganz gerecht. Es ist das fast schon intime und gleichzeitig monumentale Portrait einer Epoche und ihrer Akteure, ein lebendiges Panorama, ein Glanzstück der historischen Erzählung mit allen dramatischen Kniffen und aller wissenschaftlichen Akkuratesse.

Ursprünglich erschien das Buch in drei Bänden vor dem ersten Weltkrieg unter dem Titel „Der große Krieg in Deutschland“. Grundlage für die Anaconda-Ausgabe ist jedoch die gekürzte zweibände Ausgabe, die nach 1929 einige Auflagen bei Insel erlebte und in dieser einbändig-kompakten Form über 1000 Seiten (mit angenehmer Schriftgröße) fasst.

Zwar sind seit dem Erscheinen des Buches einige andere bedeutende Werke zum Dreißigjährigen Krieg verfasst worden, u.a. gerühmte historische Werke von Georg Schmidt und Peter Wilson (und auch der erste Band von Heinz Dieter Kittsteiners großem Geschichtsprojekt zu Deutschland behandelt diese Zeit und die Folgen), auch in Philip Bloms „Die Welt aus den Angeln“ spielt der Krieg eine Rolle und Daniel Kehlmann hat mit Tyll einen sehr unterhaltsamen, klugen Roman dazu verfasst.

Wer aber beides haben will, die Spannung des Romans und trotzdem die übergreifende historische Perspektive, den lebendigen Einblick in das Wirken und Handeln der Zeit, der sollte nach wie vor zu Huchs Werk greifen. Es ist fesselnd, unterhaltsam und bringt einem die Epoche, ihren Geist und ihren Charakter, wirklich näher.

Warum wir am Abgrund stehen – eine weitere Erwähnung zu Philipp Bloms Buch “Was auf dem Spiel steht”


Jeder sollte dieses Buch lesen! Mir ist bewusst, dass das ein sehr utopischer Satz ist, aber bei diesem Buch wird er nicht aufgrund von Begeisterung intoniert, sondern aus purer Verzweiflung. Hier steht geschrieben, knapp und doch prägnant, warum die westlichen Gesellschaften dabei sind, alles zu veräußern, was man ohne falschen Pathos als Errungenschaften der Menschheit bezeichnen kann: Toleranz, soziale Systeme, individuelle Freiheiten und nicht zuletzt unsere Lebensumgebung, unser Habitat, die Erde. Und das nur, um eine Machtbalance und ein marktwirtschaftliches System, einen Status Quo aufrechterhalten, der längst nicht mehr den realen Ressourcen unseres Planeten entspricht und der Nebenwirkungen und Folgen hat und haben wird, die so klar und unausweichlich vor uns stehen, dass es einem Akt der Psychose gleicht, sie noch zu leugnen.

Wir, die Bürger*innen der westlichen Gesellschaften, müssen anfangen uns unbequeme Fragen zu stellen und wir müssen die derzeitigen Ereignisse, die Finanz-, Flüchtlings- und Umweltkrisen, als eine einheitliche Entwicklung begreifen, die sich nicht auf ihre einzelnen Konfliktherde reduzieren lässt. Denn diese Konflikte sind ohne Ausnahme Symptome einer Krise des Systems, in dem wir seit Jahren leben, und das in nahezu jeder Faser ein System der Ausbeutung und der Zerstörung ist.

Das klingt hochgestochen und ich weiß selbst, aus eigener Erfahrung, wie leicht sich das alles derzeit noch ausblenden lässt; der Schein wird subtil gewahrt und wir werden durch Facetten vom Ganzen abgelenkt. Aber wir müssen anfangen uns zu fragen, wie wir leben wollen: für heute oder für morgen? An einem durch Werbung und andere Fassaden aufgezogenen Phantasma oder den realen Gegebenheiten orientiert? Sind die westlichen Gesellschaften bereit etwas abzugeben von dem Reichtum, den sie seit Generationen angehäuft haben? Sind wir bereit zu akzeptieren, dass die Taten der westlichen Kolonialmächte und der westlichen Konzerne in den Ländern Afrika und Südamerikas und Asiens eine derartig hohes Maß an Verbrechen begangen haben, dass wir ihre nur am Profit orientierten, hegemonialen Strukturen nicht mehr dulden können, ganz gleich wie bequem der Lebensstil ist, den sie ermöglichen? Oder entscheiden wir uns für das radikale Gegenteil, schotten uns ab – was eigentlich keine Option ist, denn unser Reichtum basiert auf der Ausbeutung der Regionen, von denen wir uns abschotten wollen.

Philipp Bloms Buch zeigt, wie nah wir am Abgrund stehen. Und es wird uns allesamt hinunterreißen; kein noch hoher Betrag auf dem Konto (imaginierte Werte zerbrechen stets an realen Gegebenheiten) und keine hohe Funktionärsstelle werden die Kollision abfedern, wenn unser System vor die Wand fährt.

Wir könnten eine Welt errichten, in der geteilt wird, was da ist. Sie wäre vielleicht nicht so reichhaltig wie unsere Supermarktregale uns jetzt weismachen wollen, nicht so globalisiert, nicht mit Produkt- und Konsumfülle gesegnet. Aber ist das nicht ein Preis, den wir bereit sein müssen zu zahlen, wenn dafür eine faire Behandlung aller möglich wird (wenn dergleichen auch nie ganz gelingen wird – es geht um die Schaffung von Möglichkeiten, das Beenden von offensichtlichen und strukturellen Diskrepanzen und nicht um Friede, Freude, Eierkuchen). Wer sich mit all dem auseinandersetzen will, der lese Philipp Bloms Buch „Was auf dem Spiel steht“. Eine längere, differenzierte Besprechung, die genau auf die einzelnen Abschnitte und Thesen eingeht, habe ich auch beim Onlinemagazin fixpoetry veröffentlicht.

Eine Auseinandersetzung mit dem großartigen und wichtigen Buch “Was auf dem Spiel steht” von Philipp Blom


besprochen bei Fixpoetry