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Neues Interview mit Andrea Winkler


a_andrea In den letzten 2 1/2 Jahren durfte ich die Autorin Andrea Winkler vier Mal in Seminaren am Institut für Sprachkunst als Dozentin erleben – eine wunderbare, bereichernde Erfahrung. Jetzt war sie so lieb mir ein Interview zu geben.

Link zum Interview auf fixpoetry.com

Zu dem Buch “Denken mit Blaise Pascal”


Blaise Pascal gehört sicherlich zu den wichtigsten Geistern des späten 17. Jahrhunderts, zumal er seinen Weg als Wissenschaftler und als Christ ging – eher ungewöhnlich für die damals zwischen Aufklärung, Erkenntnis und Agnostizimus tändelnden Geister der Zeit.

Sein philosophisches Hauptwerk ist sicherlich die berühmten Sammlung der Gedanken. Man kann dieses und seine übrigen Werke wahrscheinlich trotzdem verstehen, dennoch ist es wichtig zu wissen, dass Pascal fast die Hälfte seines Lebens von starken Schmerzen und Krankheiten geplagt wurde.

Wie denkt/dachte nun der vor 300 Jahren verstorbene Blaise Pascal?
In einer in 4 Stücke abgegrenzten Arbeit schreibt Pascal über den Menschen, seine Größe und seine Schwächen, seine Rolle und seine Nichtigkeit. Denn der Mensch ist nichtig, wie alles auf Erden, doch ist er sich, das macht seine wahre Größe aus, seiner Nichtigkeit durch Reflexion und Betrachtung sehr genau bewusst.
Nur die Macht der Gedanken macht den Mensch zum höheren Wesen (sie macht ihn quasi zu einer Art gefallenem Engel, der aber immernoch dessen Würde besitzt; auch wenn seine Körperlichkeit verdorben ist, hat er immer noch eine Ahnung, einen Wunsch, ein Streben nach dem Paradies) – “Ich kann nicht aus dem Raum meine Würde suchen, sondern aus der Zucht meines Gedankens.”

Der Mensch ist also für Pascal per Definition ein höheres Wesen – doch entgegnet er auch sofort, dass er es eben nicht ist, denn er hat unzählige Fehler und flüchtet sich in abwegige Zerstreuungen. – Warum? Weil er, so meint Pascal, sich nicht damit konfrontiert sehen will, dass er, wenn er allein und nicht beschäftig wäre, an sich und über sich selbst (nach-)denken müsste – und dabei die schreckliche Gewissheit der Nichtigkeit aller Systeme und Einrichtungen der Gesellschaft sich ihm offenbaren könnte. Diesem will sich der Mensch nicht stellen – doch Pascal beschwört den Mut dieses Elend zu überwinden:

“Alle Körper, das Firmament, die Sterne, die Erde und die Naturreiche zählen nicht so viel wie der kleinste der Geister; denn er weiß von alldem und von sich selbst, und der Körper von nichts. Und alle Körper und alle Geister zusammen und alle ihre Werke zählen nicht so viel wie die geringste Regung der Liebe; denn die Liebe gehört einer unvergleichlich erhabeneren Ordnung an. Aus allen Körpern zusammen könnte man nicht den kleinsten Gedanken bilden[…]”

Pascal hält viele Gedanken bereit; kluge Nebenbeiträge spicken seine Überlegungen (so zum Beispiel die, das jeder Mensch nur etwas wünscht, um sich am Leben zu erhalten, nicht um das Erwünschte zu bekommen), auch wenn manches trotz seiner immer noch akutellen Brisanz, auf wiederholte Art veraltet wirkt. Obwohl er auch als Humanist gelten kann, hat er auch Ansichten getroffen, mit denen Ich nicht einverstanden bin – manche Betrachtung so finde ich, ist zu radikal, auch wird die Vergeblichkeit hier und da etwas überstrapaziert.

Trotzdem ist Pascals Werk es dreimal wert, dass man sich damit auseinandersetzt und sich von ihm inspirieren lässt und von ihm lernt – denn: “Die Wissenschaften haben zwei Endpunkte, die sich berühren: die erste ist die klare, natürliche Unwissenheit, in der alle Menschen stehen, wenn sie geboren werden; am anderen Ende stehen die großen Menschen, die, nachdem sich durch alles, was die Menschen wissen, hindurchgeschritten sind, erkennen, dass sie nicht wissen und sich in jener Unwissenheit wieder begegnen, von der sie ausgegangen sind. Aber es ist eine wissende Unwissenheit, die sich durchschaut.”
Mag das nun ein Trost sein, oder nicht, es ist eine schöne Farce in sich.