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Zu den Gedichten von Sor Juana Inés de la Cruz in “Nichts Freieres gibt es auf Erden”


Nichts freieres gibt es auf Erden besprochen beim Signaturen-Magazin

Zu Milena Markovics Gedichten in “bevor sich alles zu drehen anfängt”


bevor sich alles zu drehen anfängt
„ich war irgendwo und sah
die jungen sind alt und das leben ist eine süße nutte
und kälte
saugt die knochen und das leben aus
die süße geht vorbei
dort wo wir sind
an der theke“

Es ist eine ziemlich düstere Welt, in die man in diesem Band gerät. Eine Welt der Verlorenen, der Wartenden, der Hoffnungslosen. Eine Welt, in der die Verbrechen beredt schweigen, das Elend gesät gedeiht. Und der Fortgang des Ganzen ist zwar unausweichlich, aber auch wie ein riesiger Widerstand, gegen den man sich mit jedem kleinen Wörtchen gleichsam stemmt und davor flieht.

„ein denkmal schaut mich an und fragt
ob ich mich erinnere
nein
ein grab schaut mich an und fragt
ob ich um es trauere
nein“

Schummrig ist es außerdem in Milena Markovićs Gedichten, die sehr oft Monologe sind, Fetzen von Lebensläufen, die sich selbst vorsagen, worum sie gerade kreisen, während sich längst alles zu drehen angefangen hat.

Dieses Schummrige und Maliziöse verfehlt natürlich nicht seine Wirkung – und irgendwie doch, weil man eingelullt wird von immer feisteren und kratzigeren Bildern, in denen sich zwar bestechende Ausdrücke und Bilder für Sehnsüchte und Emotionen finden, aber die einem selten wirklich gegenübertreten; sie wabern an der Schwelle des Bekenntnisses, treten aber nichts ins Licht.

„für einen bist du kirche
für den anderen spucknapf
für einen bist du wiese
für den andern kübel
[…]
wenn die freude zu mir kommt
so falle sie mir auf den mund
auf das auge auf die hände
nur schnell soll sie kommen“

Es gibt einige gelungene, wuchtige Nuancen, aber alles in allem ist der Band und sein Repertoire sehr einfarbig, bricht nicht aus seinem Zelebrieren aus, pflegt den eigenen Stil mit einer Makellosigkeit, die irgendwo bewundernswert und schlüssig ist, aber mitunter auch etwas entnervend.

„nur im haus ist es schön
im haus kann ich wählen
unter den geistern
sie singen für mich, die süßen
[…]
gott bohrt in der nase
und schnippt die popel weg
und die engel sind boshaft“

Ein Band voller Tristesse, Lethargie und Manie und viel, das unter der Oberfläche klickt, schabt. Für die Lesenden, denen ein Gedichtband ruhig ein Abgrund sein darf bestens geeignet. In jedem Fall beweist die Edition Korrespondenzen wieder mal ihr Händchen für eigenwillige Werke, die für manche eine Enttäuschung, für manche eine Entdeckung sein werden.

„die leute leiden an den haltestellen
ich dagegen
ich herrsche
wie jedes stück scheiße
stolz
bis sie in mich hineintreten“