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Zu “Das Internet muss weg” von Schlecky Silberstein


Das Internet muss weg „Wer das Internet betritt, der setzt keinen eigenen Kurs, der segelt unausweichlich in einen gottverdammten Sturm (When you enter the Internet, you don‘t choose your own course, you sail directly into a goddamn storm).“

Dieser wenig populäre Satz (den Silberstein in seinem Buch NICHT zitiert) stammt nicht etwa von einem fanatischen Technikfeind, sondern geistert anscheinend über die Flure im Silicon Valley, wo man sich der Gefahren und Tücken des Internets wohlbewusst ist. Kein Wunder: versuchen doch die Leute dort sich immer neue Methoden auszudenken, wie sie alle anderen Menschen dazu bringen können, noch mehr Zeit vor dem Bildschirm und im Web zu verbringen – und machen dadurch das Internet zu einem Suchtmedium sondergleichen (dem sie sich selbst möglichst wenig aussetzen wollen …)

Was wie eine Verschwörungstheorie klingt, ist bei Licht besehen schnödes kapitalistisches Kalkül im Kampf um Märkte und Kund*innen. Die großen Player des Internets (Facebook, Google, Amazon, etc.) haben großes Interesse daran, dass die Leute möglichst viel Zeit auf ihren Plattformen verbringen und dabei möglichst viele Daten hochladen – denn Daten sind eines der lukrativsten Produkte der Neuzeit und so einfach zu erlangen und im großen Stil zu verarbeiten, mit den richtigen Mitteln. Und wer Daten sammelt, der hat nicht nur Geschäftsgrundlagen, der hat auch Macht. Denn sie sind Produkte, aber gleichzeitig auch Schlüssel für die Köpfe der Menschen und die Herzen der Gesellschaft (so werden sie vermehrt zu ersterem).

Aber zurück zum Eingangszitat, das zunächst wie ein hyperbolischer Haudrauf-Aphorismus klingt, der viele Funken schlägt, aber wenig Feuer entfacht. Leider ist er aber durchaus sehr zutreffend, denn längst ist das Internet, bei allen großartigen Möglichkeiten, zu einem gigantischen Problem geworden, in dem alle Konflikte, die sich daraus ergeben, dass der Mensch halb Tier halb Persönlichkeit ist, potenziert und auf bisher ungeahnte Art und Weise beschleunigt werden, sodass es immerfort irgendwo kracht. Längst kann kaum jemand mehr kontrollieren, wie ausgewogen seine Informationslage ist oder was er an Daten preisgibt und was nicht – oder zumindest ist kaum jemandem bewusst, was beim Betreten und Nutzen des Internets alles mit ihm passiert, welche toxischen Dynamiken hier greifen.

Viele der Dynamiken im Detail erläutert Schlecky Silberstein, Blogger und Influencer, in seinem Buch „Das Internet muss weg“ – ein nicht ganz ernstgemeinter Aufruf, der sich aber in seiner Radikalität zu den verheerenden Dimensionen des derzeitigen Social-Media-Webs verhalten will. Denn Silberstein schildert das Internet als Gefahrenzone, in dem viele wichtige soziale Mechanismen nicht mehr greifen und wir oft ohne die gesellschaftlichen oder menschlichen Filter, ohne Reflexion, unseren animalischsten, impulsivsten Neigungen ausgesetzt sind – und dabei schneller festen Boden verlassen, als wir glauben.

Facebook und Google verstärken unsere natürliche Neigung zur Bestätigung unseres Weltbilds in einem Grade, der die Gesellschaft spaltet. Und zwar überall auf der Welt. Es gibt keinen Hebel, über den wir das Problem der digitalen Scheuklappen bewältigen können.

Wer jetzt sagt und glaubt: „Weiß ich ja eh!“, der sollte DENNOCH dieses Buch lesen. Und vielleicht wird er etwas kleinlauter werden. Mich zumindest hat es sehr erschreckt, was Silberstein ausbreitet und in welchem Umfang und wie schnell die digitale „Revolution“ (ein Euphemismus an dieser Stelle) sich bereits etabliert hat, wie ihre Entwicklung jedem Nachvollzug davongaloppiert, in der Öffentlichkeit und im Schatten. Wir sind nah dran willig riesige Gräben zwischen uns und anderen aufzuschütten, ohne Rücksicht darauf, dass wir nebeneinander und miteinander leben müssen.

Der Mensch neigt dazu, sein Halbwissen als empirisch belegtes Fachwissen zu verkaufen, um sich bis zum Schluss als lukrativen Paarungs- und Geschäftspartner zu präsentieren – auf dem Marktplatz der Eitelkeiten wird gezockt wie beim Hütchenspiel.

Ein Weckruf, und kein geringer, ist das Buch. Sehr lesenswert.

 

Zu Josefine Rieks Debütroman “Serverland”


Serverland Wie wäre das, wenn im Jahr 2021 von einem Tag auf den anderen das Internet abgestellt werden würde? Nicht aus Versehen, wie in dem Witz über den Google-Mitarbeiter, der betrunken auf der Weihnachtsfeier an die falsche Taste kommt und dann vergeblich auf die Rückgängig-Funktion klickt – sondern per Beschluss durch die Regierungen der Nationen.

Die Digitalisierung ist den meisten staatlichen Verwaltungsinstanzen in den letzten Jahren davongaloppiert, so abwegig ist es nicht, dass jemand darauf kommt, die Reißleine zu ziehen – und obgleich das Internet sich scheinbar vollständig und unwiderruflich etabliert hat: es ist eigentlich nur ein Haufen Server und Kabel. Eine profane Utopie, an die wir uns gewöhnt haben, die aber keineswegs gesichert ist. Und wenn das alles, das ganze Internet weg wäre? Was würden wir verlieren, wie würde sich das Weltbild verändern? In welchem Ausmaße hat das Internet die Menschen geprägt, die mit ihm leben? Meist kann man so etwas ja erst im Rückblick sagen.

In Josefine Rieks Debütroman ist der Shutdown des Internets schon eine Weile vorbei und die Embleme unseres digitalen Zeitalters sind nur noch Elektroschrott, der bei Trödlern herumliegt. Hardware, Software, alles mehr oder weniger nicht mehr von Interesse. Der Protagonist Reiner, Mitte Zwanzig, ist einer der letzten, denen die Obsession mit dem Digitalzeitalter und seinen Accessoires noch nicht abhandengekommen ist: er sammelt Laptops, Computerspiele, Festplatten, Zubehör. Seine ganze Freizeit scheint mehr oder minder davon in Beschlag genommen – er ist so etwas wie der letzte lebende Nerd.

Eines Tages sucht ihn aus heiterem Himmel ein Schulkollege auf, den er eher flüchtig zu kennen scheint. Er fährt ihn zu einer Lagerhalle mit Servern, auf denen immer noch Daten aus der Internetzeit gespeichert sind. Der Freund, Meyer, will diesen digitalen Friedhof plündern und die Videos und Profile verhökern. Reiner ist dagegen erstmal nur von den Möglichkeiten fasziniert, seiner Leidenschaft zu frönen. Kurz darauf fahren sie gemeinsam nach Holland: Meyer weiß von noch einer Lagerhalle, größer, ehemals im Besitz von Google. Dort treffen sie auf eine Gruppe von Leuten, die eine ähnliche Obsession mit den digitalen Medien zu haben scheint …

Bei aller Begeisterung für die Idee und unter dem Vorbehalt, dass das Folgende sicher auch ein Geschmacksurteil ist: es hapert doch leider bei der Umsetzung an allen Ecken und Enden. Das fängt schon bei den Figuren an: abgesehen von einigen nicht ganz nachvollziehbaren Gefühlsschwenken, bleiben sie sehr blass und es ist, trotz der straighten Erzählweise, nicht wirklich möglich, einen Eindruck von ihrem Innenleben oder ihren Motivationen zu bekommen. Selbst Reiner, der mit der Zeit ein Profil bekommt – schüchterne Existenz mit Kommunikationsproblem – bleibt auf irritierende Weise unberechenbar und ziellos. Beziehungen unter den Figuren finden vor allem in Andeutungen und plötzlichen, im Anschluss anscheinend schon wieder unwichtigen, Interaktionen statt – was aber keine ambivalenten Stimmungen und Konstellationen erschafft, sondern schlicht irritiert. Als ginge das Buch dem Problem der Figurenzeichnung einfach konsequent aus dem Weg. Und wenn dann doch eine Figur ein Profil bekommt, ist es oft ein klar umrahmtes, aus dem diese Figur nie richtig ausbricht, als müsse sie eine bestimmte Rolle, eine bestimmte Funktion erfüllen.

So erscheinen fast alle auftretenden Figuren entweder als Mitglieder einer Null-Bock-Generation, kiffend und trinkend, oder einer idealistischen Minderheit. Der manchmal sprunghafte, dann oft wieder dahintröpfelnde und fast versiegende Handlungsbogen tut das Übrige; immer wieder hat man das Gefühl, jetzt gleich würde die Geschichte vielleicht endlich Fahrt aufnehmen. Aber sie tut es nicht; Konflikte verpuffen, interessante Fragen werden fallengelassen. Auch der Rest der Welt ist kein großes Thema und scheint sich nicht verändert zu haben, obgleich wir uns ja einige Jahre in der Zukunft befinden. Strom, Benzin, Billiglebensmittel, anscheinend alles kein Problem. Und erweiterte Umstände der zukünftigen Lebenswirklichkeit bekommen wir erst gar nicht zu Gesicht (nur im fernen New York wird demonstriert, geschieht … irgendetwas. Als wäre damit, die Außenwelt betreffend, alles gesagt).

Das ganze Buch wirkt wie ein Versuchsaufbau, ein Gedankenspiel. Und in dieser Hinsicht funktioniert es auch: es stellt die Fragen nach der Wirkung und dem Sinn digitaler Vernetzung und digitaler Medien, ihrem Hype- und Sucht- und Attraktionscharakter, und führt die fast schon magische Bedeutung von YouTube-Videos und der Masse gespeicherter Daten deutlich vor Augen. Dieser Aspekt, diese Idee scheint durch, nur leider steckt sie in einem Roman fest, der damit nirgendwo hingelangt. Vielleicht ist das die Botschaft: die Aussichtslosigkeit im Angesicht der riesigen Datenmengen, der damit festgehaltenen, weltbewegenden Ereignisse, der großen Möglichkeiten, die doch daran scheitern, dass eine Gesellschaft nie so gut ist wie das Potenzial ihrer Utopie. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Interpretation den Roman irgendwie „retten“ würde – und tendiere, persönlich, eher zu einem Nein.

Das klingt nun alles sehr hart und es ist natürlich auch so, dass ich diesen Roman von einem Standpunkt aus beurteile, den man nicht teilen muss. Vielleicht hat Rieks ja wirklich auf ihre Weise den Spirit einer Generation eingefangen und vielleicht ist die Unterschwelligkeit ihrer Atmosphären, in denen nichts richtig an die Oberfläche kommt, sogar eigentlich ein großer Geniestreich, den ich einfach nicht als solchen würdigen kann. Trotzdem komme ich mit der Beliebigkeit und den unmotivierten Tendenzen in diesem Buch nicht zurecht.

Vielleicht ist es am Ende so, dass Rieks eigentlich eine Art Remix schreiben wollte, zu einem Buch, das ebenfalls ein großer Desillusionierungsroman und auch eine Generationsdiagnose war; es ist ja kein weiter Sprung vom Faserland ins Serverland. Und tatsächlich könnte ich mir gut vorstellen, dass Fans von Kristian Krachts vor 23 Jahren erschienenem Debüt durchaus auch von Josefine Rieks Buch begeistert wären. Da ich von Kracht nie sonderlich begeistert war, bin ich vielleicht schlicht der falsche Leser, der falsche Rezensent.

Zu Marc-Uwe Kling und seinem Roman “Qualityland”


Stanislaw Lem wird der Satz zugeschrieben: “Ein Zukunftsroman hat entweder absolut nichts mit den bestehenden Verhältnissen zu tun oder er kritisiert sie.” Wilhelm Busch, der unverbesserliche Spaßmacher, schrieb einmal: “Was man ernst meint, sagt man am besten im Scherz.” Diese beiden Sätze fielen mir immer wieder ein, während ich “Qualityland” las. Erster aus simplen, zweiter aus komplexeren Gründen, die weiter unten noch einmal aufgegriffen werden.

Ich habe, nach der erheiternden und teilweise inspirierenden Lektüre von Marc-Uwe Klings neustem Wurf, noch lange über diesen Roman nachgedacht. Irgendwie war ich trotz aller Freude, die ich beim Lesen empfunden hatte (hervorgerufen durch Gags, geniale Einfälle, wunderbare Spitzen und die hier und da eingestreuten Zitate und Verweise auf Popkultur, Geschichte und Wissenschaft, oft mit skurrilem Einschlag), nicht ganz sicher, wie ich das Buch verorten sollte. Sprachlich eher einfach und straight (wenn auch immer wieder mit gekonnten Stilwechseln und einer generellen Sicherheit im Ton, in der Darstellung), die Figurenzeichnung wunderbar komisch, aber nicht gerade tiefgründig und vielschichtig. Es wäre wohl auch unsinnig, solche Maßstäbe an ein Buch anzulegen, das seinen Fokus auf Themen und nicht auf Figuren legt.

Peter muss sich nicht die Mühe machen, relevante Informationen zu finden. Die relevanten Informationen machen sich die Mühe, Peter zu finden.

“Qualityland” ist eine Zukunftsvision, doch ich zögere, es einen Sci-Fi Roman zu nennen, weil die darin beschrieben technischen Errungenschaften mit algorhytmischen Tendenzen im Prinzip nur die ausgewachsenen, (noch) totalsierteren Versionen der Einrichtungen und Systeme von heute darstellen. Natürlich hat Marc-Uwe Kling auch einige schöne Erfindungen erdacht – aber im Prinzip basiert die von ihm erschaffene Welt auf dem Weiterdenken und Zuspitzen derzeitiger Erscheinungen und Entwicklungen; knapp an der Übertreibung vorbei, aber eigentlich sehr realistisch, geradezu gegenwärtig, zeitgeistig; deswegen mein Zögern, „Qualityland“ einen Sci-Fi-Roman zu nennen. Aber auch Bezeichnungen wie „beissende Satire“ würden zu kurz greifen.

Wie einst George Orwell oder Aldous Huxley, gibt Kling seiner Welt zunächst den Anstrich einer utopischen Ausrichtung (wenn das Buch auch in zwei Versionen erhältlich ist, von denen eine mit utopischen Intermezzos, die andere mit dystopisch-zynisch-satirischen Intermezzos versehen ist; am Ende des Buches befinden sich ein QR-Code und ein Link, mit dem man sich die Inhalte des jeweils anderen Buches ansehen kann, sodass ein doppelter Kauf nicht nötig ist). In dieser Utopie ist personalisierte Digitalisierung in ihre Vervollkommnung eingetreten: jede/r findet den/die richtige/n Partner*in, die richtigen Freund*innen, bekommt die richtigen Gebrauchsgegenstände geliefert, ihm/ihr wird die passende Werbung angezeigt und es gibt eigentlich nichts, was der Mensch noch selbst machen muss, außer sich seiner Prägung entsprechend zu verhalten oder hier und da eine Aufstiegschance zu nutzen oder den potentiellen Abstieg zu verhindern, der ihn zur Nutzlosigkeit verdammen würde.

Für diese durch-personalisierte Welt, die trotzdem von monopolistischen und totalitären Firmen und Dienstleistern quasi kontrolliert wird und in der es endgültig zu einer klar hervortretenden Klassengesellschaft gekommen ist, hat der Autor viele schöne Beispiele arrangiert, angefangen bei den Nachnahmen der Menschen, die den Berufen ihrer Eltern entsprechen, über einen Date-/Liebesdienst, der die Profile seiner Kund*innen einfach zusammenbringt & die angesprochenen Intermezzi, die meist aus absurd anmutenden Produktwerbungen und Nachrichtenmeldungen bestehen, bis hin zu vielen personalisierten Produkten:

In der Schule, sagt Peter, hatte ich mal eine Freundin, in deren Version von Game of Thrones keine einzige Figur gestorben ist. Die haben immer nur eine Sinnkrise bekommen und sind ausgewandert, oder so.

Diese ganze Charade wirkt immer wieder aberwitzig, ist aber bei genauer Betrachtung selten weit von der Wirklichkeit entfernt, sodass es einen schon ein bisschen gruseln könnte, würde man es nicht gerade so witzig finden, was dem Protagonisten von seiner Umwelt alles zugemutet wird. Allerdings sollte man sich dann auch mal fragen, was einem selbst so alles zugemutet wird – und noch zugemutet werden könnte. Denn Peter Arbeitsloser ist eben nicht nur die Fortsetzung des Kleinkünstlers mit anderen Mitteln – er ist auch der Nachfahre einer Gesellschaft, die sich vom System übervorteilen ließ.

“Ich hab es einfach satt, dass immer keiner verantwortlich ist. Immer ist das System schuld. Aber es gibt eben doch auch Leute, die dafür verantwortlich sind, dass das System ist, wie es ist!”

Die Herren der Welt, wie Noam Chomsky sie nannte. Bei Marc-Uwe Kling treten sie als Witzfiguren auf, als selbstzufriedene und blöde Fatzkes (wie schon im Känguru, an der Stelle hat sich nix verändert), die entweder nicht den Intellekt haben, die Situation zu durchschauen oder nicht die moralische Integrität, sie zu ändern (manchmal erstaunlicherweise auch beides). Dass es vor allem der Stumpfsinn ist, der in den Köpfen dieser Herr*innen der Welt regiert, der blinde und unreflektierte Systemglaube, ist gleichsam entlarvend, aber hier und da wirkt dieses brachial-plumpe Pochen auf dieser Dummheit auch etwas vereinfacht. Natürlich: wer sich umsieht, wird merken, dass wir in einer teilweise ziemlich pervertierten Welt leben und viele Schriftsteller*innen haben den Fehler gemacht, ihren Charakteren nicht das übliche Maß an Dummheit zuzumuten, das nun mal durchaus in der Welt draußen floriert. Trotzdem: manches, was haarsträubend genug ist, wird so allzu sehr zur Karikatur, hinter der die beunruhigenden Facetten der Machtpositionen nicht mehr ganz hervorlugen.

Wirklich beeindruckend an „Qualityland“ ist, wie Kling darin immer wieder Dialoge entspinnt, in denen ganz klar die Problematik und nicht nur die Komik des derzeitigen Systems und seiner Entwicklung hervorgehoben wird. Und nicht nur das: es werden konkrete philosophische und soziologische Dilemmata aufgeworfen und diskutiert, mit einer Leichtigkeit und Unwillkürlichkeit, die etwas leicht Gestelltes, aber auch etwas Geniales, Treffliches haben – vor allem wenn das Gespräch zwischen einem selbstfahrenden Auto und Peter Arbeitsloser stattfindet:

“Weißt du, was der entscheidende Unterschied zwischen euch und uns ist?”
“Was denn?”
“Wenn ein selbstfahrendes Auto einen Fehler macht, lernen alle anderen Autos durch diesen Fehler und machen ihn nicht wieder. Unterschiedliche Menschen machen immer wieder den gleichen Fehler. Ihr lernt nicht voneinander.”
“Ich verrate dir mal was”, sagt Peter. “Oft macht sogar derselbe Mensch den gleichen Fehler noch mal.”

Diese Zusammenführung von komischer und kritischer Perspektive, von Witz und Nachdenklichkeit, von Lachen und Entsetzen manchmal, ist der bewundernswerteste Zug dieses Buches. Und ebenso erstaunlich ist, dass ich mir immer wieder gewünscht habe, dass es an der einen Stelle mehr ins Kritische, an der anderen mehr ins Komische, Anspielungsreiche geht und am Ende doch sagen muss: die Mischung macht’s. Nicht nur im Hinblick auf die Unterhaltung, sondern auch im Hinblick auf das Kritische. Vielleicht hatte Wilhelm Busch Recht.

Wer in letzter Zeit wie ich Bücher wie „Was auf dem Spiel steht“ von Philipp Blom oder Noam Chomskys „Requiem auf den amerikanischen Traum“ gelesen hat, wird zweifellos ähnlich zweischneidig auf dieses Buch blicken, wo andere die entlarvende Komik einfach als eigenständige Erscheinung feiern werden – was ja auch wunderbar und vollkommen okay ist. Ich selbst komme, wie schon angedeutet, nicht umhin, eher die inspirierenden, kritischen Ansätze zu bemerken und mich zu fragen: wie ernst werden die Leute nehmen, was Kling hier präsentiert? Werden sie in der Komik das Entlarvende sehen oder doch eher das Überzeichnete? Werden sie in Passagen wie der folgenden (in denen der hyperintelligente Androide und Präsidentschaftskandidat John gerade von einer Wahlkampfveranstaltung fliehen musste) die Pointe genießen oder erkennen, dass sie die darin formulierte Problematik direkt und unausweichlich betrifft?

“Ich muss zugeben, es ist schwieriger als ich berechnet hatte”, sagt John.
“Was genau?”, fragt Aisha.
“Eine Antwort auf Betrand Russells Frage zu finden.”
“Wer?”, fragt Tony.
“Ein toter englischer Philosoph”, sagt Aisha. “Er hat gesagt: Die Frage heute ist, wie man die Menschheit überreden kann, in ihr eigenes Überleben einzuwilligen.”