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Zu Natur-Gedichten von Harry Martinson
besprochen beim Signaturen-Magazin
Zu Richard Brautigans “Forellenfischen in Amerika”
Im Sommer 1942.
Der alte Säufer hat mir vom Forellenfischen erzählt. Wenn er imstande war zu reden, dann beschrieb er Forellen so, als seien sie eine Art kluges, vernunftbegabtes Edelmetall.
Silbrig ist kein gutes Adjektiv, wenn ich beschreiben sollte, was ich in mir spürte, als er mir vom Forellenfischen erzählte.
Ich möchte es ganz genau ausdrücken.
Vielleicht Forellenstahl. Stahl, der aus Forellen gewonnen wird. Und der klare Fluß mit seinem Schmelzwasser dient als Gießerei und Schmelzofen.
Denken sie an Pittsburgh.”
Ich bin ein großer Fan des amerikanischen Autors Richard Brautigan; ich mag die Unbekümmertheit seiner kurzen Kapitel und der legeren Handlungsführung, gleichzeitig die feine Tragik, die er in allem ausstreut, was in das helle Licht seiner Prosa getaucht wird. Seine Narrative beinhalten sehr viel Glück und sehr viel Trauer, ohne hohe Töne anzuschlagen, sie sprudeln ganz still aus seinen Geschichten hervor. Das, was erzählt wird, schwirrt herum, sprunghaft, aber in all dieser Ungenauigkeiten werden ein paar Gewissheiten und Zweifel sorgsam, fast unmerklich bearbeitet. Und immer wieder sind die Texte auf wunderbare Weise komisch:
“Der Abwasch kann warten”, sagte er zu mir. Betrand Russell hätte es nicht besser sagen können.
und unerhört poetisch, mit ungewöhnlichen, geradezu funkensprühenden Bildern, Schilderungen, Vergleichen:
und wir fuhren wieder aus der Schafherde hinaus, so wie ein Flugzeugt aus den Wolken fliegt.
Forellenfischen in Amerika ist so etwas wie eine lose Chronik. In zahlreichen kurzen Kapiteln umkreist der Erzähler die Erinnerungen, die irgendwie mit Forellen oder Forellenfischen zu tun haben. Es gibt ein-zwei stärkere Stränge, die sich irgendwann herauskristallisieren und immer wieder Bezüge, aber keinen festgelegten Plot.
In den Erlebnissen und Figuren wird immer wieder das Streben nach paradiesischen Umständen thematisiert; der Versuch einfach die Schönheit und Glückseligkeit aufzugreifen, die in den Dingen liegt und in jedem Schicksal zu finden sein müsste. In Brautigans Büchern fühlt man sich dann und wann in eine profanen, liebenswerte Herrlichkeit versetzt, wird an die Großartigkeit des Daseins, wie es sich einfach vor uns auftut, erinnert – und doch: der Boden ist sehr dünn. Brautigan weiß um die Hässlichkeit und Monstrosität, die hinter den menschlichen Horizonten, den menschlichen Momenten liegt und sehr viel größer ist als alles, was wir einander reichen können. Einmal heißt es:
und er machte sich auf nach Amerika, das oft ein Ort ist, der nur im Kopf existiert.
Amerika als Imagination, als Fata Morgana der unbegrenzten Freiheit, ein weiteres Thema des Buches.
Es lohnt sich Brautigan zu lesen, allein schon wegen der Poesie, die in seinen Romanen liegt und dem Witz, dem Kult. “Forellenfischen in Amerika” ist ein guter Start, aber sehr empfehlen kann ich auch den “Tokio-Montana-Express” und die wunderbare, parabelhafte Erzählung “In Wassermelonen Zucker”.