Wussten Sie, dass Thilo Sarrazins Vorfahren Hugenotten waren, die aus dem katholischen Frankreich fliehen mussten? Nun, diesen speziellen Fakt werden Sie nicht aus diesem Buch erfahren, aber er steht sinnbildlich für eine Wahrheit, die niemand leugnen kann und die in Andreas Kosserts Buch vor uns ausgebreitet wird: Flucht, das ist nicht ein Thema unserer Zeit, es war und ist ein Thema aller Zeiten und Teil der Menschheitsgeschichte.
Tatsächlich ist ja schon die Ausbreitung der Spezies Mensch über den gesamten Erdball kaum anders zu erklären. Wohl spielte auch Neugier bei diesen Wanderbewegungen eine gewisse Rolle, aber meist waren es bestimmt andere Gründe, die Menschen dazu brachten, in andere Region zu ziehen: Kriege, Hungersnöte, Naturkatastrophen oder einfach Platz- und Ressourcenmangel. Selbst in ein paar der ältesten schriftlichen Zeugnisse ist Flucht ein großes Thema, bspw. in der Bibel.
Nachdem Kossert derlei am Anfang seines Buches ausgeführt hat, geht es dann in einem Großteil des Buches um das Thema “Heimat – Ambivalenzen eines Gefühls“, unterteilt in die Kapitel “Weggehen“, “Ankommen“, “Weiterleben“, “Erinnern“ und “Wann ist man angekommen?“. Hier zeigt er im Spiegel verschiedenster Fluchterfahrungen wie fragil und gleichsam zwingend der Begriff Heimat ist und warum wohl kaum ein Mensch vollkommen freiwillig diesen Ort verlassen wird.
Alles in allem ist das Buch eine starke, zwar neutral vorgetragene, aber mit genug Implikationen versehene Studie, die sehr oft emotional zu berühren weiß. Kossert ist hier Großes geglückt! Eine wichtige Botschaft seines Werkes ist: Geflüchtete Personen kamen immer ungelegen, aber da jede*r von einem Tag auf den anderen zur Flucht gezwungen sein kann, sollten wir viel mehr Verständnis an den Tag legen.