„Wenn das Scheitern nicht wär,
wo wären wir da –
Du würdest mich nicht fragen müssen
wo ich gestern war, weil –
Ich wär dir überhaupt niemals
begegnet mon cher.
Wenn das Scheitern nicht wär,
wo wären wir da –
und wär ich jetzt gescheiter
oder nicht, oder blabla
Und wo nähme ich denn
meine ganze Kraft her,
wenn das Scheitern nicht wär.“
So singt die wunderbare Uta Köbernick. Es ist eigentlich schon ein Versäumnis, dass dieser ambitionierten Anthologie mit von Frauen gemachtem Kabarett, mit weiblicher Poesie und Liedkunst, keine CD oder sogar DVD beigelegt wurde. Denn so stark viele Texte sind, gerade die Poetry-Slam- und Liedtext leben nun mal von der Lakonie/dem Drive/den Nuancen des Vortrags und erscheinen auf dem Papier in manchen Momenten etwas eindimensional.
Aber auch ohne audiovisuelle Aufbereitung kann man sich an den Texten der 27 Kabarettistinnen und Poetinnen dieser Anthologie größtenteils erfreuen, sich von ihnen erheitern und vor den Kopf stoßen lassen, sich mit ihnen und gegen sie empören.
Ein häufig auftauchendes, allzeit präsentes Thema ist natürlich die Frage nach dem feministischen Aspekt von weiblichem Kabarett: sollte man Klischeethemen bewusst vermeiden oder gerade diese Themen angehen? Muss sich weibliches Kabarett irgendwie besonders positionieren oder sollte es sich gerade gegen dieses mögliche Stigmata wehren. Im Vorwort schreibt die Herausgeberin Daniela Mayer:
„Denn heute gilt mehr denn je: die Erwartungen vor allem an Frauen sind auch in der Kleinkunst besonders hoch. Und werden sie nicht erfüllt, wird eben das Ticket der weniger ambitionierten Konkurrentin gekauft.“
Es ist interessant zu beobachten, wie diese Diskussion oft mitschwingt in den Texten und einem dadurch auch einfällt, wenn ein Text nicht in irgendeiner Weise daran anknüpft. Es ist bedenklich, dass es anscheinend einen weitverbreiteten Reflex gibt, der weiblichem Kabarett den Stempel „Frau wehrt sich, Frau schießt zurück“ aufdrücken will – und es dadurch nur zum bloßen Widersacher, zum Antagonisten männlichen Kabaretts macht, zu einer Kunst, die nur reagiert und nicht für sich selbst steht, die sich permanent behaupten muss und nicht einfach sein kann. Die meisten Kabarettistinnen in diesem Buch gehen diesem Label nicht auf den Leim, aber nicht alle finden einen Weg drumherum.
„Zwischen Männern und Frauen gibt es viele unausrottbare Missverständnisse. Und viele Klischees. Eines davon ist das Klischee, dass Männer nicht gerne reden. Dieses Vorurteil kann ich in der Form eher nicht bestätigen. Mag sein, dass Männer über manche THEMEN nicht so gerne reden, aber will ich als Frau einen Mann in ein Gespräch verwickeln, so brauche ich nur die richtigen Themen auszuwählen und schon bin ich bei Männern auf der ganz, ganz sicheren Seite. Wenn ich einen Mann dazu auffordere, darüber zu erzählen, wie schlecht und/oder hinterhältig seine Ex(en) ihn behandelt hat (haben), dann geht’s los.“ (Aus einem Text von Lioba Albus)
Der Diskurs, der sich an solchen Fragen entzündet, ist sicher wichtig und die Selbstkritik und die mannigfaltige Reflexion, die die Querulantinnen an den Tag legen, sind bewundernswert. Aber man wünscht ihnen, dass daraus kein Teufelskreis wird, dass die Leute sie aufgrund ihres Humors, ihrer Intelligenz und ihrer auf den Punkt gebrachten, entlarvenden Pointen feiern und nicht, weil sie sich gekonnt innerhalb dieses Diskurses positioniert haben. Emanzipation soll doch heißen: Unabhängig sein von seinem Geschlecht und seiner Rolle im Diskurs, oder nicht? Wohl auch wieder eine Frage, die einen Diskurs entzündet.
„Was wir Frauen im Kabarett an veralteten Rollenklischees zelebrieren, da kriegen Islamisten einen Ständer. […] Interessant ist aber, dass es immer die Humorlosen sind, die über Humor urteilen. […] Darum: mehr Humor und mehr Spott den Idioten. Weil es sie herunterschrumpft, auf das richtige Maß. Oder wie man jetzt in Amerika sagt: Make assholes small again.“ (Aus einem Text von Lisa Catena)
Es geht ja vor allem um Humor, um Satire, um die Kunst, die Dinge verquer auf den Punkt zu bringen – auch weil das, was sehr ernst ist, nicht am Schlechtesten in einem klugen Scherz aufgehoben ist, in einem trefflichen Spruch. Und Humor sollte kein Geschlecht haben müssen, zumindest nicht aufgrund seines Geschlechts beurteilt werden. Sondern aufgrund seiner Cleverness, seiner Qualität. Und Qualität findet man hier überall: in den Tweets von Lea Streisand:
„Sorgen sind wie Nudeln: man macht sich immer zu viel davon.“
Den Miniaturen von Uta Köbernick:
„Angst
ist der rote Teppich
für den Mut.“
und den Liedern von bspw. „Suchtpotenzial“:
„VIELEN DANK DISNEY – (danke Disney)
Für die scheiß Illusionen und die Herbstdepressionen
DANKE DISNEY – (Vielen Dank Disney)
Hätt ich damals mal lieber Pornos geguckt
und früher gemerkt, dass ihr lügt wie gedruckt
VIELEN DANK DISNEY – (danke für nichts)
Er ruft nicht: Rapunzel lass dein Haar herunter
sondern nur: Ey Mädschen! Was trägstn du drunter?“
In Querulantinnen gibt es eigentlich kein Thema, das nicht gestreift wird: Politik, Alltag, Klima, Religion, Liebeskummer, Sex und kaum eine Form, die nicht wenigstens einmal vorkommt: Geschichte, Aphorismus, Lied, Gedicht, Anekdote, Comedy, Poetry-Slam, Satire, Apell, Rede, etc. Manchmal geht es sehr munter zu, dann wieder bissig, dann nachdenklich, dann und wann auch albern, wie bei Maria Vollmers Version der zehn kleinen Zinnsoldaten, äh, Eizellen
„Fünf kleine Eizellen riefen ganz laut: „Hier!“
Doch Horst hat ihn nicht hochgekriegt, da war’n es nur noch vier.
Vier kleine Eizellen rollten flink herbei,
die Wodkaparty ging zu lang, da warn es nur noch drei.
Drei kleine Eizellen, die gingen jetzt aufs Ganze,
am Ende war’n es nur noch zwei, das Date das hieß Konstanze.“
Alles in allem: eine tolle Anthologie, wichtig für den Diskurs, noch wichtiger fürs Zwerchfell, das Hirn, Youtubenächte und das Herz. Ein Buch, über das man nicht einfach sagen sollte: es zeigt, dass auch Frauen großartiges Kabarett machen. Es geht schließlich nicht bloß um das Aufheben einer Negation. Es ist schlicht zu sagen: hier kann man ein Buch voller Beiträge von großartigen Künstlerinnen erwerben, gut ausbalanciert zwischen Kritischem, Spaßigem, Nachdenklichem und Banalem.
Natürlich will ich nicht falsch verstanden werden: die emanzipatorische Dimension des Buches will ich keinesfalls kleinreden (und es ist ja auch erfreulich, dass der Reclam-Verlag ein solches Buch rausgebracht hat, Daumen hoch). Kabarettistinnen gehören gesehen und gehört. Und natürlich ist es wichtig, dass wir uns in unseren Gesellschaften für die Menschen einsetzen, die es nachweislich schwerer haben, gehört und gesehen zu werden. Zum Schluss, ein letztes Mal zitiert, ein Satz von Uta Köbernick:
„Wegschauen hilft leider nicht,
Da siehts nämlich auch nicht besser aus.“