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Zu Gabriele Katz “Liebe mich!” über Erich Maria Remarque und seine Beziehungen zu Frauen


Liebe mich! „Entgegen landläufiger Interpretationen war Remarque kein Don Juan. Es ging ihm nicht um die Eroberung möglichst vieler Frauen. Es ging ihm um das mit ihnen geteilte und durch sie gesteigerte Gefühl der Lebensintensität, der Lebenssicherheit.“

Wie sich seines Lebens vergewissern, ist doch der Tod das einzig gewisse und dazwischen tasten wir uns in tiefer Dunkelheit oder grellem Licht voran. Womit ist das Leben anzufüllen, das man bequem darauf liegen, die Reise mit möglichst viel Vergnügen hinter sich bringen kann. Ist Liebe die Antwort oder die Frage nach Liebe die Antwort?

Für Erich Maria Remarque, Bestsellerautor und Lebemann, war Liebe Essenz und Fluchtmittel, eine Vorstellung, ein Wunsch, in der/m es sich für ihn gut leben ließ – und gleichsam schlecht. Denn der Liebe Launen machten ihm (wie wohl allen, die gern darin leben würden) zu schaffen: mal scheint sie bestätigt, um dann plötzlich zu zerrinnen; mal wirkt sie wie ein Versprechen, entpuppt sich als Lüge; mal glänzt sie aber der Abglanz reicht nicht bis in die eigenen Untiefen.

Gabriele Katz hat in „Liebe mich!“ Remarques Liebesleben portraitiert, die einzelnen Stationen (also die einzelnen Frauen) bilden das dramaturgische Gerüst. In Teilen ist es natürlich auch eine Biographie seiner Werke und Ideen, vor allem aber eine gekonnte Seelenbiographe. Die Selbstauskünfte und Dokumente sind klug gewählt und die Schlüsse, die Katz daraus zieht, lassen Remarques Geisteswelt oft gestochen klar hervortreten.

„»Nicht mehr geliebt zu werden schmeißt mich in die Ängste der Kindheit zurück … Die Todesangst. Das ›Alles dran setzen‹, es zu retten. Unter allen Umständen, Demütigungen. Die langen Jahre des Immer noch drauf Wartens. Nur durch eine neue Liebe abgelöst u(nd) ablösbar, schien es …«“

Ein bisschen schade ist, dass die einzelnen Frauen zumeist sehr blass bleiben. Sie werden zwar beschrieben, charakterisiert, erscheinen aber relativ unbelebt, zumal ihre Emotionen oft nur in ihrem Verhältnis gegenüber Remarque angesprochen werden, ansonsten werden ihre Karriere und ihre Stellung in den Gesellschaft hervorgehoben, nicht aber ihre eigene Tragik.

Alles in allem ist „Liebe mich!“ dennoch ein lesenswertes Buch, mitreißend mitunter, klug und sensibel in den richtigen Momenten.

Zu “Wie wir lieben: Von Ende der Monogamie” von Friedemann Karig


  Hinter der romantischen Liebe, diesem oft beschworenen Phänomen, steckt eine schöne und wahrhafige Idee, jedoch ist diese Idee durchaus problematisch (wie sehr oft angemerkt wird) weil sie erstens: nicht realistisch sei und zweitens: verklärende Wirkung haben kann, unsinnige Erwartungen und Hoffnungen mit sich bringt, Illusionen fabriziert. Ob die Liebe nun einfach eine Sache von Chemie ist oder ob sie etwas mit den Seelen in unserem Innersten zu tun hat (und ob es letztendlich im konkreten Fall wichtig ist, was die Liebe nun bedingt oder nicht, wenn sie da ist) könnte wohl nur abschließend geklärt werden, wenn die Menschheit sich kollektiv von transzendenten Vorstellungen oder von wissenschaftlichen Analysen verabschieden würde. Das wird in absehbarer Zeit nicht geschehen, denke ich. Ob Liebe also ein Holzweg ist, kann nicht so einfach geklärt werden. Aber wie steht es mit der Monogamie, mit den klassischen Beziehungstypen?

Die Monogamie kurzerhand für tot zu erklären ist schlicht unsinnig und so vorschnell wie Nietzsches Gottesmord (wenn auch vielleicht ähnlich erfolgreich). Allein schon deshalb, weil nicht für alle Menschen Sexualität eine zentrale oder überragende Rolle in ihrem Dasein einnimmt und somit das Argument der sexuellen Unzufriedenheit nicht zwangsläufig immer und überall ziehen muss. Ich erwähne diesen offensichtlichen Fakt nur, um klarzumachen, dass auch ein so ambitioniertes und streckenweise innovatives Buch wie dieses, sich letztlich an eine Zielgruppe richtet und nicht an die Menschheit im Allgemeinen. Gern wird in solchen Büchern von “uns Menschen” geredet, vom Menschen “an sich”. Ja, alle Menschen haben einen Körper, aber davon abgesehen könnte man die gesamte Menschheit niemals, nicht einmal biologisch, unter einen Hut bringen. Man kann sich eine Vorstellung von der Menschheit und der Welt auf sein eigenes Maß zurechtschneiden und gerade wenn man über so umfassende Themen wie Liebe und Geschlechtlichkeit schreibt, ist der Schritt von den gut ausgesuchten Beispielen zu den Vielen und schließlich zu Allen nicht sehr weit. Aber man sollte im Hinterkopf behalten, dass Sexualität, obwohl sie viele Menschen verbindet, doch eine individuelle Angelegenheit ist – wofür dieses Buch ja auch in Teilen wirbt (um dann allerdings wiederum vieles auf die Belange des Körpers zu reduzieren.)

Aber auch wenn die Monogamie nicht totgeredet werden kann, ist es ebenfalls nicht mehr möglich, über die Tatsache hinwegzusehen, dass in Gesellschaften mit emanzipierter Sexualität  die üblichen Beziehungsformen und -ideen oft als zu eng empfunden werden und nicht mehr als erstrebenswert gelten – und es vielleicht auch nicht sind. Das Recht am eigenen Körper sprengte zuerst die Ketten und nun die Grenzen von exklusivorientierten Partner*innenschaften. Sexuelle Treue, ein möglicherweise erst mit dem Sesshaftwerden der menschlichen Spezies wichtig gewordenes Konzept (zur Sicherstellung der klaren Erbfolge), wird derzeit an vielen Ecken und Enden infrage gestellt (und gilt oft als verklemmt und als unsexy; man sollte nie vergessen, dass wir hier auch über Trends reden.) In vielen Fällen überfordern diese propagierten Möglichkeiten natürlich auch.

In einigen Fallgeschichten und mehreren theoretischen Ausführungen, kreist Friedemann Karig seine Vorstellungen zu Partnerschaft, Lust, Freiheit, Beziehung und Erfüllung ein. Wie bereits an anderen Stellen richtig angemerkt wurde, vertritt Karig dabei vor allem die Position des Körpers: seine Bedürfnisse, seine Determinationen. Was nicht bedeutet, dass er ignorant oder unversiert vorgeht und argumentiert. Aber es ist richtig, dass er einen Fokus hat und einige wichtige Aspekte übergeht. Er argumentiert in eine Richtung und das ist auch nicht wirklich verwunderlich, denn wir haben es hier mit einem Plädoyer, mit einer Streitschrift zu tun, einer bestimmten Idee , die propagiert wird, und nicht mit einer differenzierten Studie. Und wenn man das Buch als Ausformung und Unterfütterung einer bestimmten Meinung liest, dürfte es vielleicht leichter fallen, nicht über die Lücken den Kopf zu schütteln, sondern sich auf die interessanten Fakten zu konzentrieren und sich auch in einigen Beispielen wiederzufinden.

Eigentlich könnte ja alles ganz einfach sein: freie Liebe unter allen und dennoch Partner*innen, die gemeinsam wohnen oder Kinder haben und jeder gönnt jedem sein Vergnügen, sein Glück. Ähnlich vernünftig könnte man für den Weltfrieden argumentieren: zerstört alle Waffen, arbeitet alle zusammen, gemeinsam errichten wir eine perfekte Welt für alle. Nicht verkehrt und bitte auch anzustreben, aber derzeit ebenso utopisch wie die Idee der vollkommenen, romantischen Liebe. Der Mensch ist nun mal ein Wesen, in dem auch Unsicherheiten vorhanden sind und in dem Dunkles wirkt, sowie Ängste und Narben und allerlei andere Einschränkungen. Wenn wir uns immer so begegnen könnten, wie Karig es vorschlägt, dann wäre die Abschaffung der Monogamie nicht das einzige Hurra. Es ist selbstverständlich wichtig, zu solchen Utopien den Weg zu weisen, Türen zu Vorstellungen zu öffnen und das gelingt Karig hier und da ganz wunderbar und schlüssig. Aber so mancher Philosoph hat die Welt so beschrieben wie sie sein sollte, nicht wie sie war; kein Manko, aber auch kein himmelschreiender Verdienst.

Viele Menschen in ihren 20ern gieren geradezu nach sexuellen Erfahrungen. Das hat biologische Ursachen, ebenso gesellschaftliche und Teile davon haben auch mit der Sexualisierung unserer Wahrnehmung zu tun; die aber natürlich nicht möglich wäre, wenn es nicht Anlagen in uns gäbe, die daran ein Interesse haben. “Kapital ist die neue Religion und Sex ist ein wichtiger Götze”, wie John Updike einmal schrieb; inwieweit unser Erleben und unsere Vorstellungen von Sexualität durch Werbung und Pornopgraphie und andere Dinge korrumpiert sind, ist schwer auszumachen. Auch wenn das nicht seine Absicht ist, schlägt Karig durchaus mit in diese Kerbe, wenn er die sexuelle Befreiung als körperliche Befreiung propagiert; optimiert euch!, so klingt der Ruf dann und wann. Oder: orientiert euch an den Wurzeln!, ein ebenso problematischer Schlachtruf. Mir ist klar, dass es ihm um ein Ideal geht; aber er trägt darin die problematischen Zeitgeisterscheinungen trotzdem mit.

Im Alter spielt für viele Menschen nachweislich Sicherheit und Verlässlichkeit und Gemeinschaft eine größere Rolle als sexuelle Abwechslung. Bei manchen früher, bei anderen später, bei manchen nie. Wie wir lieben: so wie wir glauben lieben zu müssen, wie wir gelernt haben zu lieben, wie wir lieben können? Dazwischen zu unterscheiden fällt schwer. Und das ist ja auch nur der derzeitige Stand. Inwieweit die Menschheit sich trotz Determination und Kulturpessimismus noch entwickeln kann, ist unklar, wir wissen nur, dass wir vermutlich nicht in der besten aller Welt leben. Aber wohin geht die Entwicklung? Friedemann Karig glaubt, einen Weg gefunden zu haben, der einen Hauch von Paradies verspricht.

Auf eine gewisse Art und Weise transportiert dieses Buch eine sehr romantisierte Vorstellung von heutigen Möglichkeiten in der Welt der Beziehungsmodelle. Aber es weist wichtige Alternativen aus, es zeigt Potentiale, es engagiert sich für einen offeneren Umgang mit dem Thema und zumindest letzteres ist ungemein wichtig und sei dem Buch hiermit hoch angerechnet. Denn auch wenn in diesem Buch nicht steht, wie alle lieben, müssen wir alle uns doch mehr darüber austauschen, wie wir lieben wollen, was das überhaupt heißt, wie es für den Einzelnen gehen kann. Zu diesem Dialog liefert das Buch einen teilweise provozierenden, teilweise fundierten, teilweise inspirierenden Beitrag.

“Ich weiß, das Leben/ ist ein ständiges Lebewohl.” Zu späten Gedichten von Jaroslav Seifert


“Noch heute – und das ist viele Jahre her -,
wenn ich die Augen schließe
und gegen die dünne Dunkelheit meiner Lider blicke,
erscheinen mir die lächelnden Gesichter
derer, die ich einst geliebt.
Sie sind jedoch schon blaß
wie das Licht der Sterne an einem Winternachmittag,
wenn die Dämmerung anbricht.”

Trotz einer langen literarischen Tradition hat die tschechische Poesie bisher nur einen Nobelpreisträger hervorgebracht, der auch gleichzeitig der einzige tschechische Nobelpreisträger für Literatur überhaupt ist: Den Dichter Jaroslav Seifert, letzter einer großen Dichtergeneration, die sich in den Jahren zwischen den Kriegen mit neuen poetischen Vorstellungen hervortat, geboren 1901, gestorben 1986. Sein Werk lässt sich in viele, sich teilweise sehr voneinander abhebende Perioden aufteilen, wobei die Bandbreite von experimenteller bis zu – wie in diesem Band präsentierter – sehr schlichter Lyrik reicht.

“Auf die Stadt fielen Rußflocken
und in den Straßen zog der Rauch,
dem Herbstnebel ähnlich,
doch bis an die Zähne bewaffnet.”

Krieg und Gedichte und die Liebe – drei Themen die Seifert gegen Ende seines Lebens (dieser Band hier ist die Übertragung eines Originalbandes der 1983 herauskam) sehr beschäftigten, natürlich weil sie ihn alle auch sehr geprägt hatten. Der Krieg ist in den paar Gedichten, in denen er seine eigenen Erlebnisse beschreibt eher unterschwellig anwesend, als eine Drohung, als ein Widerstand. Die Liebe dagegen ist eine stets sehr zärtlich angespielte Melodie, die Seifert zurückhaltend und schön zu variieren weiß.

“Wie oft habe ich die Hände ausgebreitet,
um wenigstens die Luft zu umarmen,
durch die sie soeben gegangen war,
als sie ihr süßes Lächeln
ins Nebenzimmer trug.”

“Die allergeheimsten Träume,
die den Schlafenden in der Dunkelheit umfangen,
hatten die Farbe deiner Augen.
Sie waren blau.”

Das letzte große Thema, das Dichten und die Herkunft der Dichtung, nimmt eine ganz besondere Rolle in dieser Sammlunge in. 3 der besten Texte handeln von dem Moment, in dem der Dichter von der Eingebung getroffen wird, in dem das Unwillkürliche plötzlich zu Worten sich masert. Schön ist, dass Seifert keine zu hohen Sphären betritt, sondern glasklar und leicht einnehmend, aber auch schlicht und wehmütig von diesen Erinnerungen berichtet. Einmal beschreibt er, wie ihm auf einer Bank einige zauberhafte, großartige Verse einfielen. Er rannte nach Hause. Doch dort kamen sie ihm dann nicht mehr in den Sinn. Und das Gedicht schließt mit den Worten:

“Und die Verse jenes zauberhaften Morgens
suche ich bis heute.”

Erinnerungen. Am Ende eines Lebens geht es viel darum, was noch geblieben ist, was man nicht ausradieren kann, vielleicht sogar um manches, das mit den Jahren immer klarer oder in seinen Konturen immer glatter geworden ist. So ist dieser Band rückwärtsgerichtet. Prag und die Jugend, der Krieg und das Dasein im Jahrhundert, werden alle durch das Schilfrohr der letzten Lebensjahre, als ein geradezu namhaftes und doch verschwiegenes Abenteuer betrachtet, eine Zeit, so lang und so groß, und doch so klein.

“Meine leichtsinnigen Schritte in den Gassen,
meine rosigen Abenteuer
und Liebschaften und alles andere
sind bestreut mit leichter Asche,
wenn die Zeit verbrennt.”

“Aus unserem sorglosen Leben
flogen die Nächte davon
wie verwelkte Rosenblätter
und fielen in die dunklen Pforten der Vergangenheit
von wo sie zurückkehrten
als durchsichtige Erinnerungen.”

Jaroslav Seifert ist ein wundervoller Dichter, ein unproblematischer und völlig klarer Erzähler, der seine ruhige Sprache perfekt mit einem Klang umgeben kann. Wenig in diesen Versen wirkt herausragend, aber auf diese Weise gelingt dem ganzen Gedicht der Sprung in die Vorstellung des Lesers, als Handreichung des Dichters selbst, als Aufzeichnung einer einhelligen Empfindung. Wer die Lyrik als eine unwillkürliche Kunst schätzt, die eine Aufnahme des Lebens in dich tragen, der sollte Jaroslav Seifert unbedingt lesen.

“Schon jahrelang schlägt mir an der Wand
eine alte Uhr
und blickt zurück auf die Zeit
meines Lebens,
die so schwindelerregend dahineilt.”

Das vergebliche Herz… Kleine Rezension zu Goethes Werther


“Ach so gewiss ist’s, dass unser Herz allein sein Glück macht.”

Ein anderer Rezensent sprach von diesem Buch als einem “Freund fürs Leben” und hat mir damit die Worte aus Mund und Herz genommen. Denn obgleich es (wie so oft bei Klassikern) beim Werther sicherlich in jedem von uns eine Vorstellung und sogar grundsätzliche Kenntnis über die “Story” gibt, ist der Werther ein reicheres und tieferes Buch, als je eine Studie aus zweiter Hand beleuchten könnte. Es hat eine ganz eigenwillige Tragik, als wären darin Drama und Empfindung ineinandergerauscht, um dann umeinander herumzuirren.

Die Geschichte, die Goethe in Briefen und am Ende mit kurzen Passagen des freien Erzählens aufrollt, ist in der Tat eine simple und doch hält sie zwei ewig reizende Themen bereit: unerwiderte Liebe und eine sensible, intelligente, sehnsüchtige Hauptfigur, ein Mensch “so gut wie die Sonne und meist so traurig wie der Regen”(Thomas Hardy) . Wie auch schon ein anderer Rezensent sagte, ist die Idee der Briefform eine wahre Meisterleistung Goethes (wenngleich er sie nicht erfand, hat er doch erkannt, dass sie den besten Rahmen für seine Geschichte bildet); durch diesen Kunstgriff kommt die Sehnsucht nach Transzendenz, nach Mitteilung, beinahe überbordend zum Ausdruck und doch ebenso die tiefe, umsichtige Erkenntnis, dass das Unsagbare ewig dem Einfühlen jedes Einzelnen überlassen bleibt:

“[…] die Flüsse strömten unter mir, und Wald und Gebirge erklang; und ich sah sie wirken und schaffen ineinander in den Tiefen der Erde, alle die unergründlichen Kräfte; […] Vom unzugänglichen Gebirge über die Einöde, die kein Fuß betrat, bis ans Ende des unbekannten Ozeans weht der Wind weht der Geist des Ewigschaffenden, und freut sich jedes Staubes, der ihn vernimmt und lebt. […]”

Nun ist der Werther nicht nur ein schönes, sondern auch ein wirklich anrührendes und beinahe wandelndes Werk. Während man es liest vollzieht sich vor dem Auge eine Art freudigtrauriger Kurve. Denn obgleich Werther ein intelligenter und liebender, sehnsüchtiger Mensch ist, findet sich schon zu Anfang in den Tiefen des Romans eine vollendete Vergeblichkeit (- die sich übrigens durch Goethes ganzes belletristisches Werk, vom Faust bis zum Wilhelm Meister ziehen wird, mal schwächer, mal stärker ausgeprägt). Werther führt sie in aller unnostalgischen Klarheit in sein Herz:

“Ich kehre in mich selbst zurück und finde die Welt. Wieder mehr in Ahnung und dunkler Begier als in Darstellung und lebendiger Kraft.”

“Musste denn das so sein, dass das, was des Menschen Glückseligkeit macht, wieder die Quelle seines Elends würde?”

“Dass ihr Menschen, rief ich aus, um von einer Sache zu reden, gleich sprechen müsst: das ist töricht, das ist klug, das ist gut, das ist bös! Und was will das heißen? Habt ihr deswegen die inneren Verhältnisse einer Handlung erforscht? Wisst ihr mit Bestimmtheit die Ursachen zu entwickelnn, warum sie geschah, warum sie geschehen musste? Hättet ihr das, ihr würdet nicht so eilfertig mit euren Urteilen sein.”

Man könnte, wenn man die letzte Seite umschlägt, meinen, dass eine umfassende, beiderseitige Dankbarkeit in der Luft liegt, wenn man dieses Buch schließt. Das Buch ist dankbar und man selbst ist dankbar. Ganz natürlich fühlt sich das Buch in den Händen an…

*diese Rezension ist in Teilen schon auf Amazon.de erschienen