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Zu Toni Morrisons “Die Herkunft der anderen”


Die Herkunft der anderen besprochen auf fixpoetry.com

Zu Michael Zeuskes Werk über “Sklaverei” als Phänomen und Fakt


Sklaverei „Sklaverei bedeutet Gewalt von Menschen über den Körper anderer Menschen, es bedeutet in den allermeisten Fällen körperlichen Zwang zu schwersten und schmutzigsten Arbeiten oder zu Dienstleistungen sowie Mobilitätsbeschränkung. Dazu kommen alle Formen und Folgen von Statusdegradierung“

Begegnet man dem Wort Sklaverei, fallen den meisten Menschen wohl zunächst zwei Standorte der Geschichte ein: die klassischen antiken Staaten (Ägypten, Griechenland, Rom) und der europäische Kolonial- und Imperialismus. Natürlich hatten auch die Inkas und Azteken, die Mongolen, die Araber und die Perser Sklaven. Aber wenn man von historisch von Sklaverei redet, wird zumeist davon ausgegangen, dass die Verschleppung und Ausbeutung der afrikanischen Bevölkerung (vor allem in den USA und den Inseln der Karibik) gemeint ist – oder eben ein Aspekt des antiken römisch-griechischen Staats- und Ständewesens.

Dieser historische Fokus könnte leicht darüber hinwegtäuschen, dass Sklaverei kein begrenztes und an bestimmte historische Perioden und System geknüpftes, sondern ein allgemeines Phänomen ist. Allein wenn man sich Zeuskes Ansatz einer Definition (siehe Zitat oben) ansieht, fallen einem hoffentlich zahlreiche Beispiele ein, die zumeist nicht mit dem Begriff Sklaverei zusammengebracht werden: Zwangsheirat, Marginalisierung & Stigmatisierung. Das alles sind (bspw.) Wege in und Formen von Sklaverei.

Der große Verdienst dieses Buches, das manchmal etwas umständlich formuliert ist (wobei das natürlich Gründe hat, die mit Seriosität und Umsicht zu tun haben – ich will Herrn Zeuske keinen schlechten Stil unterstellen), ist dann auch die Tatsache, dass es Sklaverei als allgegenwärtiges Phänomen, historisch und aktuell, begreift und darstellt.

Dabei wirft es einen Blick weit zurück, in die Anfänge der menschlichen Sozialsysteme noch vor dem Auftreten erster großer »Zivilisationen« und ebenso Blicke in die Realitäten vieler unterschiedlichster Ausprägungen von Sklaverei und Versklavung, bekanntere und unbekanntere. Zeuske arbeitet viel mit Zahlen, seine Stärke sind aber vor allem die umfassend-knappe, präzise Darstellung von Entwicklungen und die Vielfalt seiner Beispiele.

Kurzum: ein wichtiges Buch, das letztlich brandaktuell ist. Noch immer ist Sklaverei ein großes Thema; es hat nie aufgehört eines zu sein. Europas Reichtum der letzten Jahrzehnte stützt sich auf Arbeits- und Lohnumstände in vielen anderen Erdteilen, die nur durch spitzfinge Definitionsheuchelei von dem Wort Sklaverei getrennt sind. Und selbst in Europa wird Arbeit derzeit stark entwertet. Wo beginnt Sklaverei – nicht schon dort, wo man keine Wahl hat, obgleich man nicht direkt in Ketten liegt? Wo man niederste Tätigkeiten ausführen muss, weil es keine anderen Perspektiven gibt oder wo einem alle anderen Perspektiven verstellt werden?

„Sklaverei ist nur scheinbar tot. Bei näherem Hinsehen wird schnell klar, dass die großen und klar erkennbaren Sklavereien sich zu illegalen, meist kleinen und getarnten Sklavereien gewandelt haben. In diesem Wechsel des Aggregatszustandes der Sklaverei von groß und fest zu eher flüssig und klein sowie oft opportunistisch liegt der Bruch, den ihre formalen Abschaffungen im »Westen« oder auf seinen Druck hin 1792-1970 weltweit langfristig bewirkt haben.“