“Sie tranken und die Nacht brach herein. Ihre Seelen öffneten sich wie exotische Blumen, sie sahen allmählich klarer.”
Diese Geschichten steigen aufs Gas. Sie sind mit einer gewissen Schnurzegal-Haltung geschrieben; sie fabulieren gern, auf leicht virtuose, leicht obszöne, leicht trashige, leicht abwegig-banale Art. Sie handeln fast ausnahmslos von Leuten, die ein wenig gegen das Leben sind. Von Verlierern, die sich noch über Wasser halten wollen. Von schrägen Typen, die sich in bizarren Szenarien bewegen. Immer geht es ein bisschen um die Liebe, ein bisschen um das Wahre, aber vor allem ums Überleben. Es gibt Gewalt und Sex und Außergewöhnlichkeiten, aber vor allem eine Orientierungslosigkeit, die sich in allem Bahn bricht, jeder einzelnen Geschichte und ihren Motiven – ganz egal, ob es um lustmachende Leichen, Experimente mit 100 zu 1 Ergebnissen oder eine Utopie mit Frau und Vogel geht. Die Plots wirken hingerotzt, die Sprache ist immer scharf und hat immer ihre Stärken, einen Sog und einen Drive.
Ich mag Philippe Djian und ich mag, wie er schreibt. Und irgendwie mag ich auch die meisten seiner Geschichten, auch wenn ich wenig aus dem ziehen kann, was darin verhandelt wird. Djian hält sich nicht mit Botschaften auf und er ist ein bisschen vernarrt in kleine, aufregende Widrigkeiten. Er pflastert die Straßen seiner Protagonisten mit allerlei ulkigen bis heftigen Schlaglöchern und irgendwie ist alles egal und doch richtig wichtig, überlebenswichtig.
“Die Sonne strömte voll herein, wie Eiweiß.”
Ein bisschen fühlt man sich an Bukowski erinnert, aber Djians Prosa hat eine viel größere Beschleunigung und sehr viel weniger Selbstreferenzialität. Der Autor verschwindet hinter seinen Schöpfungen, in den jungen Männern, die sich etwas Beständiges wünschen, einen Rückzugsort von der Welt und eigentlich wollen sie alles und sie stehen irgendwie kurz vor dem nichts, dass überall ist.
Ich würde “100 zu 1” nur empfehlen, wenn es den Leser nicht stört, dass die Erzählungen sich kaum aufbauen, sondern einfach einschlagen. Sie entwickeln sich nicht einfach, sie explodieren, implodieren, steuern auf einen Höhepunkt zu. Sie sind von einer ungeheuren Lebendigkeit, dann wieder voller aufgehängter Verzweiflungslust. Sie rufen eine schräge Begeisterung hervor, wie Kerouac oder Henry Miller oder der schon erwähnte Bukowski, aber sind manchmal auch gar nicht so beeindruckend. Halt gut. Guter Stoff.