In den ersten vier Heften von Hellblazer (zusammengefasst in “Erbsünde 1” mehr dazu hier) lernte John Constantine (den Haupt-Charakter stelle ich ebenfalls unter dem Link zu Erbsünde 1 vor) Zed kennen, eine junge Frau mit unklarer Vergangenheit, die aber mehr zu wissen schien, als sie zugeben wollte. Hat sie etwas mit den Erlösungskriegern zu tun, die überall auf der Welt neue Gläubige um sich scharen? Auf was bereitet sich diese ominöse Glaubensrichtung vor?
Zunächst treffen wir Constantine in #5 (engl. Titel: “When Johnny comes marching home”, ein altes Lied aus der Sezessionskriegszeit) aber nicht in England, sondern in den Staaten an, wo er etwas für das Swamp Thing erledigt hat. Irgendwo in Iowa hört er von Erweckungskriegern, die mit Gebeten eine Kampf-Einheit zurück nach Hause holen wollen, deren Mitglieder vor 19 Jahren in Vietnam fielen. Nur einer hat überlebt und ist seitdem geplagt mit Angstzuständen und Wahnvorstellungen, heimgesucht von Erinnerungen. Bald verzahnen sich nicht nur in seinem Kopf, sondern auch in der Wirklichkeit die Zeitebenen und im Dorf bricht die Hölle los wie einst in Südostasien … Delanos kurzer Shot zum Trauma der amerikanischen Geschichte ist zwar mitunter etwas sprunghaft, deckt aber trotzdem viele Dimensionen ab. Constantine ist fast nur Zuschauer in diesem Stück, fassungslos ob der menschlichen Abgründe und schicksalhaften Wendungen.
In #6 und #7 (“Extreme Prejudice” und “Ghosts in the machine”) versucht Constantine Zed vor den zwei Mächten, die um sie ringen, in Sicherheit und gleichzeitig mehr über diese Mächte in Erfahrung zu bringen: die Damnation Army, die der Dämon Nergal um sich schart und die Erlösungskrieger, für die Zed nicht nur eine wichtige Rolle zu spielen scheint, sondern denen sie anscheindend einst entflohen ist.
Nach einem Angriff auf sie durch die Dam. Army bringt Constantine Zed bei seinem alten Freund Ray unter und versucht mit Hilfe seines Bekannten Ritchie mehr über die Erlösungskrieger herauszufinden, speziell einen besonderen Zweig: die Feuerzungen. Doch Zed ist bei Ray leider nicht sicher und Ritchie begibt sich bei seiner Magie-Erkundung der digitalen Zugänge der Feuerzungen etwas zu tief in den Kaninchenbau … Neben der eigentlichen Story versteht es Delano geschickt (unterstützt von den wuchtigen, dann wieder ruhigen Zeichnungen von John Ridgway) sowohl Komik als auch Ernst einfließen zu lassen. Immer wieder nimmt sich Delano außerdem Zeit und Raum für Seitenhiebe und unterschwellige progressive Stellungnahmen: Aids ist kurz ein Thema, Hooligans und englischer Fußball auch.
In den letzten beiden Issues (#8 und #9, “Intensive Care” und “Shot to Hell”) vor dem Finale der großen Hellblazer-Geschichte (das findet erst in #10 statt) begegnet Constantine dem Dämonen Nergal, der die Damnation Army leitet, persönlich. Der heilt ihn von einigen Verletzungen, im Gegenzug soll Constantine Zed finden und töten, denn mit ihrer Hilfe könnten die Erlösungskrieger das Jüngste Gericht einläuten und den Kampf zwischen Himmel und Hölle entscheiden. Constantine sagt widerwillig zu, als Nergal Unschuldige mit hineinzuziehen droht, entzieht sich dann aber, flüchtet. In #9 treffen wir ihn als gebrochenen Mann, verfolgt von allen möglichen Erinnerungen und (handfesten) Geistern. Aus einer unerwarteten Richtung erhält er schließlich eine Standpauke … Die Auflösung der Geschichte um Zed und die Erlösungskrieger, in #9 bereits größtenteils vorweggenommen, ist fast schon unspektakulär, sodass man sich fast ein wenig betrogen fühlt – aber doch so schlitzohrig, dass man es Delano eigentlich schon wieder verzeiht. Mit den Heften #5-9 prägte der Autor die fatalistische Note, die Constantine seither immer ein bisschen zu eigen war. Er erscheint als der gebrochene Mann, der diese Gebrochenheit nur dann hinter sich lassen kann, wenn er ein paar Gefühle zulässt und viele anderen abschaltet; wenn er alle Menschen hinter sich lässt – retten kann er eh niemanden, allerhöchstens die Welt.
Auch bei der zweiten Erbsünde Ausgabe von Schreiber & Leser sind die Farbwahl und die Druckqualität leider mangelhaft; nicht ganz so schlimm wie im ersten Band, aber schlimm genug (auch hier: teilweise sind dunkle Konturen des Originals schlicht schwarz, als wären die entsprechenden Bereiche zensiert). Wer auch auf Englisch lesen kann und mag, dem würde ich Vol. 1 der Hellblazer-Sammlung empfehlen (deren Mängel habe ich im Text zu Erbsünde 1 bereits erläutert).
John Constantines erste große Liebe, die erste Beinahe-Schlacht zwischen Himmel und Hölle, das alles halten die Nummern #5-9 bereit. In vielerlei Hinsicht steht die Serie noch wacklig dar, hat manchmal etwas wenig Profil. Constantine kämpft vor allem gegen Fanatiker, weniger gegen Dämonen. Aber in seiner Welt wird es immer so aussehen: das Böse immer an beiden Seiten und in der Mitte steht er, weder gut noch böse, beraubt von beiden Seiten, gezeichnet, ein Magier und Trickser, ein einfacher Gambler im großen Spiel der höheren und tieferen Sphären.
Fazit:
Wichtigkeit im Hellblazer-Universum:
🌟 🌟 🌟 🌟
Grafik:
🌟 🌟 🌟 🌟
Story:
🌟 🌟 🌟 🌟
Aufmachung:
🌟 🌟 (schlechter Druck und im Buchformat problematisch wegen der Doppelseitennutzung der Originale. Ein Stern mehr für die englische Vol. 1 Ausgabe)