Ich habe während der Lektüre dieses Buches öfter an Simone de Beauvoirs „Alle Menschen sind sterblich“ denken müssen. Anders als in diesem Buch, ist „stella maris“ keine allzu konkrete Ausformung einer unsterblichen Lebensgeschichte (bei Beauvoir ist außerdem ein Mann der Protagonist, während es bei Isabella Feimer die Urmutter Eva ist, die in die Endlosigkeit des Daseins vorstößt), aber in der Art wie das menschliche Leben als hoffnungslose, geradezu unerreichbare Schönheit gepriesen wird, gibt es Berührungspunkte zwischen den beiden Werken.
Was sehr früh auffällt ist der schwärmerische Duktus, der ständig auf eine transzendente Ebene, in höchste Höhen zu verweisen scheint und einem permanentes Aufwallen gleichkommt. Die Protagonistin stellt sich dem/r Lesenden als erzählende und bekennende Stimme dar, fragmentarisch und doch entblößt, ohne Netz und doppelten Boden und doch auch nebulös. Man muss sich eine Vorstellung der Figur und die Ausmaße des Narrativ erst Stück für Stück erarbeiten und gänzlich erkennen kann man beides nie, es bleibt ein Rest Geheimnis in den Windungen zurück, nachdem das Buch geschlossen wurde.
Feimer spielt mit den Symbolen des Göttlichen und Schwindenden, mit den Entitäten der Ewigkeit und Flüchtigkeit. Einsamkeit ist das Siegel der einen, Begegnung das Siegel der anderen. Das Raumschiff, von dem aus sich Eva auf Episoden und Erlebnisse zurückbesinnt, ist eine Metapher in zweierlei Hinsicht: wie der Mensch ist es gemacht für eine Reise und kann sich einzig an den Sternen orientieren und außerdem stellt es den geringen Raum des Möglichen, des Schönen da, inmitten einer Umgebung, die unbewohnbar und kalt ist, vor der man sich in die kleinen Wärmen und Nähen des Lebens flüchten muss.
Eva ist ebenfalls auf der Flucht, aber auch immer noch auf der Suche. Auf der Flucht vor etwas, dem sie nicht entrinnen kann und auf der Suche nach etwas, das dann doch wieder zerrinnt und entschwindet. Abgesehen von der sprachlichen Schönheit ist „stella maris“ vor allem eine Konfrontation mit der schmerzlichen Suche nach einer Heimat, die nicht korrumpierbar ist. Und die man hoffentlich auch nicht selbst korrumpiert. Aber wie soll das möglich sein? Die Klage dieses Widerspruchs erfüllt das ganze Buch mit einer Lebendigkeit, die berührt.
Eigentlich ist der Ausspruch stella maris eine Anrufung Marias, mit der Bitte, einem den Weg zu weisen. Niemand kann Eva den Weg weisen, nicht ihre Geliebten, nicht ihre Suche nach Glück. Aber gerade in dieser Haltlosigkeit erzeugt die Sprache von Isabella Feimer zumindest einen Versuch, im Erinnerten und Verlorenen etwas zu finden, das einem das Gefühl gibt, darin gelebt zu haben und deswegen auch wieder leben zu können. Wenn ein Buch sowas leistet: Hut ab!