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Zum 70. Geburtstag von Bruce Springsteen


Springsteenborntorun2 zu finden auf Fixpoetry

Zu “Hellblazer – Original Sins/Erbsünde 2”


Hellblazer - Erbsünde 2 In den ersten vier Heften von Hellblazer (zusammengefasst in “Erbsünde 1” mehr dazu hier) lernte John Constantine (den Haupt-Charakter stelle ich ebenfalls unter dem Link zu Erbsünde 1 vor) Zed kennen, eine junge Frau mit unklarer Vergangenheit, die aber mehr zu wissen schien, als sie zugeben wollte. Hat sie etwas mit den Erlösungskriegern zu tun, die überall auf der Welt neue Gläubige um sich scharen? Auf was bereitet sich diese ominöse Glaubensrichtung vor?

Zunächst treffen wir Constantine in #5 (engl. Titel: “When Johnny comes marching home”, ein altes Lied aus der Sezessionskriegszeit) aber nicht in England, sondern in den Staaten an, wo er etwas für das Swamp Thing erledigt hat. Irgendwo in Iowa hört er von Erweckungskriegern, die mit Gebeten eine Kampf-Einheit zurück nach Hause holen wollen, deren Mitglieder vor 19 Jahren in Vietnam fielen. Nur einer hat überlebt und ist seitdem geplagt mit Angstzuständen und Wahnvorstellungen, heimgesucht von Erinnerungen. Bald verzahnen sich nicht nur in seinem Kopf, sondern auch in der Wirklichkeit die Zeitebenen und im Dorf bricht die Hölle los wie einst in Südostasien … Delanos kurzer Shot zum Trauma der amerikanischen Geschichte ist zwar mitunter etwas sprunghaft, deckt aber trotzdem viele Dimensionen ab. Constantine ist fast nur Zuschauer in diesem Stück, fassungslos ob der menschlichen Abgründe und schicksalhaften Wendungen.

In #6 und #7 (“Extreme Prejudice” und “Ghosts in the machine”) versucht Constantine Zed vor den zwei Mächten, die um sie ringen, in Sicherheit und gleichzeitig mehr über diese Mächte in Erfahrung zu bringen: die Damnation Army, die der Dämon Nergal um sich schart und die Erlösungskrieger, für die Zed nicht nur eine wichtige Rolle zu spielen scheint, sondern denen sie anscheindend einst entflohen ist.
Nach einem Angriff auf sie durch die Dam. Army bringt Constantine Zed bei seinem alten Freund Ray unter und versucht mit Hilfe seines Bekannten Ritchie mehr über die Erlösungskrieger herauszufinden, speziell einen besonderen Zweig: die Feuerzungen. Doch Zed ist bei Ray leider nicht sicher und Ritchie begibt sich bei seiner Magie-Erkundung der digitalen Zugänge der Feuerzungen etwas zu tief in den Kaninchenbau … Neben der eigentlichen Story versteht es Delano geschickt (unterstützt von den wuchtigen, dann wieder ruhigen Zeichnungen von John Ridgway) sowohl Komik als auch Ernst einfließen zu lassen. Immer wieder nimmt sich Delano außerdem Zeit und Raum für Seitenhiebe und unterschwellige progressive Stellungnahmen: Aids ist kurz ein Thema, Hooligans und englischer Fußball auch.

In den letzten beiden Issues (#8 und #9, “Intensive Care” und “Shot to Hell”) vor dem Finale der großen Hellblazer-Geschichte (das findet erst in #10 statt) begegnet Constantine dem Dämonen Nergal, der die Damnation Army leitet, persönlich. Der heilt ihn von einigen Verletzungen, im Gegenzug soll Constantine Zed finden und töten, denn mit ihrer Hilfe könnten die Erlösungskrieger das Jüngste Gericht einläuten und den Kampf zwischen Himmel und Hölle entscheiden. Constantine sagt widerwillig zu, als Nergal Unschuldige mit hineinzuziehen droht, entzieht sich dann aber, flüchtet. In #9 treffen wir ihn als gebrochenen Mann, verfolgt von allen möglichen Erinnerungen und (handfesten) Geistern. Aus einer unerwarteten Richtung erhält er schließlich eine Standpauke … Die Auflösung der Geschichte um Zed und die Erlösungskrieger, in #9 bereits größtenteils vorweggenommen, ist fast schon unspektakulär, sodass man sich fast ein wenig betrogen fühlt – aber doch so schlitzohrig, dass man es Delano eigentlich schon wieder verzeiht. Mit den Heften #5-9 prägte der Autor die fatalistische Note, die Constantine seither immer ein bisschen zu eigen war. Er erscheint als der gebrochene Mann, der diese Gebrochenheit nur dann hinter sich lassen kann, wenn er ein paar Gefühle zulässt und viele anderen abschaltet; wenn er alle Menschen hinter sich lässt – retten kann er eh niemanden, allerhöchstens die Welt.

Auch bei der zweiten Erbsünde Ausgabe von Schreiber & Leser sind die Farbwahl und die Druckqualität leider mangelhaft; nicht ganz so schlimm wie im ersten Band, aber schlimm genug (auch hier: teilweise sind dunkle Konturen des Originals schlicht schwarz, als wären die entsprechenden Bereiche zensiert). Wer auch auf Englisch lesen kann und mag, dem würde ich Vol. 1 der Hellblazer-Sammlung empfehlen (deren Mängel habe ich im Text zu Erbsünde 1 bereits erläutert).

John Constantines erste große Liebe, die erste Beinahe-Schlacht zwischen Himmel und Hölle, das alles halten die Nummern #5-9 bereit. In vielerlei Hinsicht steht die Serie noch wacklig dar, hat manchmal etwas wenig Profil. Constantine kämpft vor allem gegen Fanatiker, weniger gegen Dämonen. Aber in seiner Welt wird es immer so aussehen: das Böse immer an beiden Seiten und in der Mitte steht er, weder gut noch böse, beraubt von beiden Seiten, gezeichnet, ein Magier und Trickser, ein einfacher Gambler im großen Spiel der höheren und tieferen Sphären.

original sins

Fazit:

Wichtigkeit im Hellblazer-Universum:
🌟 🌟 🌟 🌟
Grafik:
🌟 🌟 🌟 🌟
Story:
🌟 🌟 🌟 🌟
Aufmachung:
🌟 🌟 (schlechter Druck und im Buchformat problematisch wegen der Doppelseitennutzung der Originale. Ein Stern mehr für die englische Vol. 1 Ausgabe)

Zu Friedrich Christian Delius neuem Buch “Die Zukunft der Schönheit”


Die Zukunft der Schönheit „Da wollte jemand gehört, verstanden, erlöst werden, da wollte jemand raus aus der Nummer und nicht rein in die Nummer, da stand jemand unter Beschuss des Schlagzeugs und schoss zurück, da steckte jemand wie von Geigensaiten eingeschnürt in der Falle und wehrte sich, da wollte jemand aus dem Feuer gerettet werden –“

Ich bin sehr froh, dass mir vor einigen Jahren das Buch „Warum ich schon immer Recht hatte – und andere Irrtümer“ in die Hände fiel, ein schmaler Sammelband mit Wortmeldungen, Vorwörtern, Kommentaren und anderen Kurztexten von Friedrich Christian Delius.

Nicht nur enthielt dieser Band einige sehr klare, auf den Punkt gebrachte gesellschaftspolitische Analysen, wie ich sie in dieser Schnörkellosigkeit eigentlich nur von George Orwell kannte, den Texten darin war allgemein eine Direktheit zu eigen, ein gleichsam kämpferischer, unbequemer, aber nicht versponnener oder zu weit gehender Ton, der mich richtiggehend begeisterte.

Mittlerweile habe ich viel von Delius gelesen, nicht alles mit derselben Begeisterung, aber immer wieder fasziniert von der Art, mit was für Themen er sich auseinandersetzt und wie er sie anpackt. Großartig sein sarkastischer, kirchenkritischer Monolog in „Die linke Hand des Papstes“, sehr aufschlussreich und spannend der biographische Band „Als die Bücher noch geholfen haben“, aber auch das frühe Buch über Siemens ist genial, etc. etc.

In „Warum ich schon immer Recht hatte“ findet sich auch ein kurzer, wunderbarer Nachruf auf den Schriftsteller Nicolas Born. Ich erwähne dies nicht nur, weil dieser knappe Text eine der schönsten literarischen Liebeserklärungen ist, die ich kenne, sondern auch weil darin eine Dimension von Delius Schreiben aufblitzt, die in seinem neuesten Buch „Die Zukunft der Schönheit“ eine wichtige Rolle spielt. Denn so kritisch, sarkastisch und unbequem Delius oft ist, in vielen seiner Texte zeigt er sich auch anders: als empfindsamer Beobachter, als feinsinniger Chronist.

Ausgehen tut das Buch von einem Erlebnis in New York, am 1. Mai 1966. Delius ist mit dabei, als die Gruppe 47 ihren legendären Amerikaaufenthalt zelebriert (diese Reise hat er sehr genau in „Als die Bücher noch geholfen haben“ geschrieben), in dessen Rahmen sich Handke zum neuen Kafka ausrufen lässt, politische Positionen ins literarische Geschäft Einzug halten und Delius Susan Sontag anhimmelt. Am 1. Mai nun, einem der letzten Tage in den USA, lässt Delius sich von zwei Jazzfans, Schriftstellerkollegen, in einen Jazzclub mitnehmen, um ein Konzert des Saxophon-Avantgardisten Albert Ayler und seiner Band anzuhören.

Das Konzert beginnt und Delius erscheint die Musik sofort fremd, schwer erträglich, mit ihrer Dissonanz, sehr verquer. Aber um nicht wie ein Snob oder undankbar zu wirken, versucht er sich darauf einzulassen. Schon bald regt ihn die Musik zu Überlegungen an – zunächst, weil er auf der Flucht vor ihr ist, dann aber, weil er in ihr die Fragen seiner Zeit, die Elemente seiner Sehnsucht, den Soundtrack zu seinem eigenen Lebensweg zu erahnen beginnt.

Formal ist das Buch ein gezähmter Stream of consciousness, in dem sich Text und Musik die Bühne teilen, ineinandergreifen, aber auch einander überfallen, herüberschwappen, sich durchdringen. Die Musik wird zur fortlaufenden Projektionsfläche für Delius Eindrücke und immer mehr zum Sound für alles, was gerade aktuell ist: Vietnam, sexuelle Befreiung, neue Musik, neue Welt, Atomkrieg, Aufbruch, Repression, Jugend, etc. Sie bringt Delius dazu, sich in Gedanken zu entblößen, seine eigenen Scheidewege zu sehen, seine eigene Entwicklung zu begreifen. In diesen Momenten, im Verlauf des Konzerts, entfaltet sich für ihn die Übersichtlichkeit der Gegenwart, des Lebens, durchzogenen von einigen eigenen Gewissheiten.

Was ist schon die Herkunft gegen die Zukunft? Wir können nicht ändern, woher wir kommen, aber wir können entscheiden, wohin wir gehen, oder? The soul is a streetcar named desire. Delius blickt in seine Vergangenheit und, darauf aufbauend, auf das, was noch kommt, hoffentlich noch kommt. Wir stehen alle täglich vor unserem Leben, einem fortlaufenden Spiel der Ereignisse, an dem wir nur in diesem Moment, der gerade ist, teilnehmen können. Delius fächert sein Leben auf, mit den Szenen, die einem im Gedächtnis bleiben, den prägenden Erlebnissen, die einen nicht loslassen. Da ist so viel, was klar ist und so viel, das unklar bleibt; weshalb geschrieben wird, gedacht, gemalt – und musiziert. Die Zukunft der Schönheit, man hat sie selbst in der Hand.
An der Musik schöpfen heißt oft in uns schöpfen, das dürfte jedem schon einmal aufgefallen sein. Delius zeichnet diese Erfahrung meisterhaft nach.

In Teilen hat mich „Die Zukunft der Schönheit“ an eine Erzählung von Julio Cortázar erinnert: „Der Verfolger“, ein Buch über des Saxophonisten Charlie Parker und die Unmöglichkeit der Perfektion, die Sehnsucht nach dem genau-getroffenen Ton und der Aufhebung der Zeit im Moment größter lautlicher Schönheit. In Delius neuem Buch wird die Zeit nicht durch den perfekten Ton, sondern durch das Gegenteil aufgehoben: eine Kakophonie, in der doch wieder der Wunsch nach Ausdruck mitschwingt, die Themen der Zeit sich artikulieren. Natürlich ist der Mensch unentwegt auf der Suche nach Perfektion – aber er selbst ist und bleibt ein Chaos. Ein Chaos, ohne das es wohl das Potenzial für Schönheit nicht gäbe; wobei genau dieses Chaos, das die Zukunft der Schönheit sichert, die Gegenwart der Schönheit schnell übersieht, sie verschleißt, verliert. Traurig, aber schön: gibt es eine bessere Definition für die Musik? Für unsere Existenz?

Delius ist ein eindringliches Portrait der seelischen Zusammensetzung eines Menschen gelungen. Mit seiner unruhigen Sprache, allgemein mit seiner Unruhe, ist es eine belebende Leseerfahrung. Eine Lektüre, die, neben allerlei Denkanstößen, kleine Rückstände von Ewigkeit im eigenen Empfinden zurücklässt.

Zu Wilfried Loths “Fast eine Revolution”


Fast eine Revolution Eine Behauptung, die bereits auf den ersten Seiten des Buches vorkommt, könnte man geradezu irritierend nennen: Frankreich, die Revolutionsnation, war diesmal spät dran. Während in Deutschland, den USA und vielen anderen Ländern aus den unterschiedlichsten Gründen bereits seit 1966 Studierendenproteste stattfanden und der Clash zwischen den Generation klar zutage trat, war es in Frankreich bis zu den Ereignissen vom Mai 1968 verhältnismäßig ruhig. Frankreich, ein Land der engagierten Literatur und einiger der größten Philosophen von Freiheit, Zwang und Selbstbestimmtheit, auch noch im 20. Jahrhundert, war ein Nachzügler bei diesem bis heute nachhallenden Generationenbruch.

Dafür gibt es einige Gründe, die der Autor anfangs auf gekonnte Weise kurz umreißt. Ein Grund ist sicher, dass Frankreichs Politikergarde und Frankreichs Intellektuelle lange Zeit die Diskussion dominierten; ein anderer die große Stabilität und Prosperität.
Obwohl Frankreich ein Nachzügler war: der französische Mai 1968 war einer der prägendsten Umbrüche in den europäischen Gesellschaften des 20. Jahrhunderts, ist bis heute mit vielen Mythen umwoben und die Wurzel vieler unterschiedlichster Entwicklungen, Bewegungen und Karrieren. Immerhin führte diese “Fast-Revolution” zu einem landesweiten Generalstreik, ein Ereignis, das in diesem Umfang in Friedenszeiten bisher selten verzeichnet wurde.

Wilfried Loth liefert mit seinem Buch nicht nur eine Übersicht und Chronik, sowie eine Analyse der Maitage, ihrer Akteure und des Verlaufs, sondern entziffert vor allem den Mythos des Mai 68. Ähnlich wie bei anderen Revolution (und allgemein bei großen gesellschaftlichen Ereignissen, die als Fixpunkte einer gesellschaftlichen Veränderung gelten) ist auch hier der Mythos viel glatter als die Summe der komplex motivierten, widersprüchlichen und teilweise eher willkürlich als geplant verlaufenden roten Fäden, die das Muster der tatsächlichen Ereignisse geben.

Genau dies aufzudecken und fesselnd und informativ zu schildern, gelingt Loth sehr gut, präzise, ohne falsche Eitelkeiten und, erfreulicherweise, ohne größere Lücken, die oft in Büchern vorkommen, deren Autor*innen man anmerkt, dass sie vor allem von einem Aspekt, einer Interpretation besessen sind, was dazu führt, dass die Umsicht und der Fokus auf eine anschaulich-ausbalancierte Darstellung auf der Strecke bleiben. Nicht so bei Loth, der ein lesenswertes Buch über einen Augenblick in der Geschichte geschrieben hat, den immer noch, selbst entzaubert, ein Hauch von inspirierendem Klang umweht, 50 Jahre später.

68 mag Geschichte sein, die Faszination ausgewaschen von endlosen Fußnoten, Korrekturen, Widerrufen. Aber dieses Buch zeigt auch, dass, obgleich es eben keine einheitliche Bewegung oder dergleichen gab, das revolutionäre Potenzial der vielfältigen Ideen dieser Tage, sowie der Mut, die Courage oder der schlichte Versuch dafür einzustehen, wichtig waren für die Gesellschaften, in denen wir heute leben – und vielleicht kommt man beim Nachdenken über diese vergangenen Zustände und Aufstände darauf, dass auch unsere Gesellschaften in bestimmten Punkten eine friedliche, engagierte Revolution (oder zumindest Reformation) bitter nötig hätten.

Zu einer Neuauflage von Erich Frieds “und Vietnam und”


und Vietnam und besprochen beim Signaturen-Magazin.de

Für Graham Greene, mit einer Empfehlung in Richtung seines Buches “Der stille Amerikaner”


Graham Greene, geb. 1904, gest. 1991, war einer der unscheinbarsten und doch einer der größten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Von den einen als Spionage- und Agentenautor verspottet und an dieses Genre abgeschrieben, von den anderen als untergründig religiös inspirierter Schriftsteller bezeichnet, schrieb Greene sein Leben lang genau das, was er konnte, nicht mehr und nicht weniger, und so kam er zu dieser unglaublichen, schlichten Ehrlichkeit und Unverfänglichkeit, die beinahe jedes seines Bücher, von den Figuren über die Inhalten bis zu den Handlungsverläufen, ausmacht.

Es sind Bücher, in denen es mehr darum geht, die Figuren zu konfrontieren (mit anderen Figuren und mit dem, was um sie herum geschieht, sie Stellung beziehen zu lassen), als wirklich Spannung oder eine große Geschichte aufzubauen. Eine große Geschichte braucht Greene auch nicht – seine Figuren sind seine großen Geschichten, sie selbst, das was sie glauben, wollen, denken – und das langt, das macht jedes seiner Bücher einzigartig und lesenswert. Vielleicht könnte man hier einige Parallelen zum Werk von William Boyd ziehen.

“Der stille Amerikaner” (eines von Greenes besten Büchern, neben Unser Mann in Havanna und natürlich Die Stunde der Komödianten), ein Werk, in dem es um eine Dreiecksbeziehung in Saigon, während der Anfänge des Vietnam- und Indochinakonfliktes, ist ein sehr unscheinbares Buch und trotzdem eine der besten Personenstudien aller Zeiten (und außerdem eine interessante Geschichtsstunde); es ist ein Buch, das sich so langsam anschleicht und einen doch mit seiner ganzen literarischen Einzigartigkeit fesselt. Besonders beeindruckend ist dabei, wie Greene seine beiden Protagonisten, einen schon lange in Indochina stationierten, desillusionierten Engländer und einen neu eingetroffenen Amerikaner, der die ganze Region nur aus einem Buch kennt, zueinander einstellt: Sie sind keine Feinde, sie sind keine Freunde – der eine hat Erfahrung, der andere jugendlichen Enthusiasmus und Überzeugung und man weiß nicht, was von beidem besser oder sinnvoller ist, angesichts der Lage, in der sich die Region und ja, die ganze Welt, befinden. Der eine verkörpert die alte Kolonialwelt, die bequem geworden ist und sich mit ihrem Untergang abgefunden hat, der andere die neu erwachte Macht der USA und dem naiven Glauben an einen Kampf für die Demokratie, ein Ideologiebewusstsen sondergleichen.

Greene wird oft dem frz. Schriftsteller Georges Benanos zur Seite gestellt oder auch Francois Mauriac. Eine Parallele, die meines Wissens nach nicht genug betont wurde, möchte ich hier noch anhängen: die zu Somerset Maugham, dem großen englischen Autor, als ehemaliger Agent mit ähnlichem Hintergrund wie Greene. Genau wie dieser war Greene ein ausgesprochen ambivalenter/differenzierter Kritiker und Durchleuchter des Kolonialismus und auch der amerikanischen Interventionen rund um den Globus; wie auch bei Maugham, spielen seine Romane oft an kolonialen Orten und genauso wie bei Maugham, geht es auch Greene eigentlich nicht um politische Themen, sondern um zentrale menschliche Themen wie Schuld, Glaube, Neid und Mut. Beiden ist gleich, dass ihre Romane unvergleichliche Literatur sind, Literatur voller neuer Gestade – Weltliteratur, im besten, einfachsten Sinne.

Link zum Buch

*diese Rezension ist in Teilen schon auf Amazon.de erschienen