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Zu Ralf Georg Reuths “Kurze Geschichte des Zweiten Weltkriegs”


kurze geschichte des 2. weltkrieges Ralf Georg Reuth hat eine “Kurze Geschichte des Zweiten Weltkriegs” verfasst. Ist aber nicht schon wirklich genug über diese sechs Jahre geschrieben worden? Es gibt riesige Wälzer über Stalin und Hitler, es gibt andere Wälzer mit detaillierten Analysen der einzelnen Feldzüge, Analysen und Beweise der Kriegs- und Zivilverbrechen, Guido Knopp und andere haben Zeitzeugen befragt, Historiker haben über den großen Rahmen, den Krieg der Ideologien, geschrieben. Und wer will, der kann sich tagelang Fernseh-Produktion zum Dritten Reich und dem Krieg anschauen. Was bleibt da noch zu tun?

Nun, viele der erwähnten Publikationen sind selbst (freiwillig oder unfreiwillig) Teilnehmer an einem Konflikt, einem Kampf um die Deutungshoheit –s denn bei kaum einem historischen Ereignis gibt es so viele unterschiedliche Ansätze, so viele Fokusse vor allem. In welchem Licht soll man den Zweiten Weltkrieg und seine Akteure betrachten, vor allem was die größeren Zusammenhänge und die Absichten angeht?

Ralf Georg Reuth wirft dieses Licht in seiner Zusammenfassung vor allem auf Adolf Hitler, er ist für ihn die Schlüsselfigur, und sein Buch ist eine Analyse von Hitlers Entscheidungen und in vielen Teilen eine subtile Dekonstruktion von dessen Nimbus. Er stellt ihn nämlich nicht mit jener Ehrfurcht dar, die selbst die kritischen Biographien lange Zeit irgendwie mitgetragen haben, die in jedem Spiegel-Sonderheft-Artikel immer noch mitschwingt und die hinter den tausenden Einzelpublikationen Pate stand. Vielmehr zeigt er Hitler als einen Mann, der permanent in Illusionen gefangen war und der nicht von ihnen lassen konnte – und dessen militärische Erfolge zumeist Glückstreffer waren.

Reuth verharmlost den Diktator keinesfalls, auch seine Talente beim Reden und die bezwingende Energie seiner Präsenz, seine Wirkung auf die Massen, stellt er nicht in Abrede. Nur schreibt er dies alles ganz klar dem Wahnhaften seines Wesens zu und nicht irgendeiner Form von Größe oder Finesse.

Mit Hitler im Mittelpunkt, der lange seiner Vorstellung von einem Bündnis mit Großbritannien alles unterordnete und auch ansonsten völlig unrealistische Bündnisse zustande bringen wollte, führt uns Reuth durch die militärischen Ereignisse des 2. Weltkriegs. Er fasst das meiste gut zusammen und bringt viele kleinere Randnotizen zur Geltung (bspw. mit wem Hitler sich bzgl. seiner meist scheiternden Bündnis- und Kriegspläne trifft), die neue Einblicke erlauben, führt ebenso ohne Scheu den Irrsinn und die Absurdität vieler Aspekte vor Augen. Manchmal gefällt er sich, so kommt es mir vor, ein bisschen zu sehr in seiner Rolle als Zusammenfasser und Aufdecker. Aber dies sei ihm verziehen.

Diese neuste, zusammenfassende Publikation zum 2. Weltkrieg ersetzt natürlich nicht die vielen breiteren Werke und Analysen, aber ergänzt sie wunderbar und kann gut für sich stehen. Wer eine kluge, undramatische und nicht allzu aufs Militärische versessene Geschichte des 2. Weltkriegs sucht: Voila.