Ambrose Bierce gehört allgemein zu den Autoren, die man schwerlich einordnen kann. In der amerikanischen Literatur ist er eine Art halber Klassiker, fällt aber hinter solche Größen wie Poe, Melville oder Mark Twain zurück. Seine journalistische Tätigkeit und seine hauptsächlich in Zeitungen veröffentlichten Geschichten lassen sein Werk eher unübersichtlich, teilweise auch etwas beliebig wirken. Immerhin: sein “Aus dem Wörterbuch des Teufels” ist immerhin als eine Art Bibel des Zynismus weithin bekannt.
Ich war eher zwiegespalten, als ich den Diogenes Band der “Meistererzählungen” von Ambrose Bierce las. Dieser Mann, der von sich behauptete “Mein Ruf als unbekannter Autor ist weltweit” machte keinen großen Eindruck auf mich. Doch ganz hinten im Buch, fast am Ende, stieß ich auf einige sehr kurze Prosatexte, betitelt mit “Fantastische Fabeln”. Beinahe sofort war ich begeistert von diesen anekdotischen, mit Witz und Biss angefüllten Bonmonts. Ein wenig fühlte ich mich an das geniale Buch von Augusto Monterroso, “Das gesamte Werk und andere Fabeln” erinnerte, aber das hier war noch fieser, gleichzeitig aber in Teilen ungeheuer geistvoll, dann wieder geradezu brachialpointiert.
Ich machte mich also auf die Suche nach einer separaten Sammlung der fantastischen Fabeln und fand dieses Buch. Da es pro Seite immer 2-3 Texte enthält, sind es insgesamt ca. 250-300 im ganze Buch. Überwiegen tun die politischen Gleichnisse, in denen es viel um spielerische Aufdeckung von Heucheleien, menschlichen Schwächen und menschlicher Dummheit geht, aber auch Parabelartiges und Weises ist zu finden.
-Der Präsident einer großen Aktiengesellschaft betrat ein Textilwarengeschäft und erblickte ein Plakat mit folgender Aufschrift: “Wenn sie das, was sie wünschen, nicht finden können, fragen sie danach.”
Er trat an den Ladenbesitzer heran, der ihn genau beobachtet hatte, während er das Plakat las, und als er zum Sprechen ansetzte, rief der Ladenbesitzer einem Verkäufer zu: “John, zeig diesem Gentleman die Erde.”-
Natürlich sind auch viele “Klassiker” des Witzes und der Posse bei Bierce vertreten:
-Zwei Frauen im Himmel erhoben Anspruch auf einen neu eingetroffenen Mann.
“Ich war seine Frau”, sagt die eine.
“Ich seine Liebste”, sagt die andere.
Der Heilige Petrus sagte zum Mann: “Geht hinunter zu dem Anderen Ort – du hast schon genug gelitten.”-
Im Ganzen ergibt ein Summa Summarum des Buches auch eine größere Menge an überflüssigen oder sehr geläufigen Geschichtchen, dennoch machen sie einem Freude, und es ist ein großer Spaß immer mal wieder einen besonders guten, satirischen Text zu finden:
-Ein Parteimanager sagte zu einem Gentleman, der sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte:
“Wie viel würden Sie für eine Nominierung bezahlen?”
“Nichts”, erwiderte der Gentleman.
“Aber sie würden doch etwas zum Wahlkampffonds beitragen, um Ihre Wahl zu unterstützen?”, fragte der Parteimanager augenzwinkernd.
“O nein”, sagte der Gentleman gewichtig. “Wenn das Volk wünscht, dass ich für es arbeite, muss es mich ohne Anstiftung ernennen. Ich fühle mich ohne öffentliches Amt sehr wohl.”
“Aber”, drängte der Parteimanager, “eine Wahl ist etwas Wünschenswertes. Es ist eine große Ehre dem Volk zu dienen.”
“Wenn das Dienen eine hohe Ehre ist”, sagte der Gentleman, “wäre es für mich unschicklich, mich darum zu bewerben; und wenn ich es durch eigenen Anstrengungen erreichte, wäre es keine Ehre.”
“Nun gut”, beharrte der Parteimanager,” aber sie unterschreiben doch wenigstens, hoffe ich, das Wahlprogramm.”
Der Gentleman erwiderte: “Es ist unwahrscheinlich, dass die Verfasser meine Ansichten zutreffend zum Ausdruck gebracht haben, ohne mich zu konsultieren; und wenn ich ihr Werk unterschriebe, ohne ihm zuzustimmen, wäre ich ein Lügner.”
“Sie sind ein abscheulicher Heuchler und Idiot”, schrie der Parteimanager.
“Selbst ihre gute Meinung über meine Eignung”, antwortete der Gentleman, “kann mich nicht umstimmen.”-
Die Kurzgeschichte über Peyton Farquar von Ambrose Bierce konnte ich bis heute nicht vergessen…
Ich dank dir für deinen Kommentar! Peyton Farquar, ich kann mich leider kaum entsinnen, obgleich ich einige von Bierce Kurzgeschichten gelesen habe. Hilfst du mir auf die Sprünge?
http://de.wikipedia.org/wiki/An_Occurrence_at_Owl_Creek_Bridge